Koronare Herzkrankheit (KHK) - Herzinfarkt - Angina pectoris - Herzkatheter - Stent - Bypass - Akutes Koronarsyndrom


 

Stent auch bei stabiler KHK hilfreich

 

Für Patienten mit sog. akutem Koronar-Syndrom (typischerweise akuter Herzinfarkt) hat sich die möglichst rasche Katheter-Behandlung (Ballon-Aufdehnung und in der Regel auch Stent-Implantation) als lebensrettend erwiesen. Die bei einem Infarkt akut verschlossene Koronararterie kann wieder eröffnet werden. So kann der sonst drohende Verlust großer Anteile des Herzmuskels  noch abgewendet und Tod oder langfristig schwere Herzschwäche vermieden werden.

Dagegen ist die Stent-Implantation bei Patienten mit chronischer KHK (stabile Angina pectoris) weiter umstritten. Bei diesen Patienten treten Beschwerden nur bei besonderen Belastungen z.B. Treppensteigen auf und verschwinden in Ruhe wieder (ähnlich wie bei der sog. Schaufenster-Krankheit der Beine).

In der aktuellen ORBITA-2-Studie wurden 301 Patienten mit stabiler Angina pectoris entweder mit Stent oder Placebo behandelt. Die Patienten wurden den Therapie-Gruppen randomisiert (wie beim Werfen einer Münze) zugeteilt. Nach einer Beobachtungsdauer von 3 Monaten war das Ausmaß der Angina pectoris-Beschwerden in der Placebo-Gruppe mehr als doppelt so hoch wie in der Stent-Gruppe.

  •  Rajkumar CA. New England Journal of Medcine, (NEJM.org),  November 11, 2023

Kommentar: In früheren Studien war auch eine rein medikamentöse Therapie zur Behandlung der stabilen KHK erfolgreich. Ein Vorteil der Stent-Implantation im Vergleich zu einer optimalen medikamentösen Therapie konnte bisher nicht überzeugend dargelegt werden. In der vorliegenden Studie wurde zumindest der Nutzen des Stents im Vergleich zu einer Placebo-Behandlung belegt, sodass beide Therapie-Konzepte (rein medikamentös oder Stent) als Therapie-Optionen zur Verfügung stehen. Anders als beim Infarkt ist bei chronischem Koronar-Syndrom in der Regel keine Eile geboten, sodass immer in einem vertrauensvollen Gespräch mit dem betreuenden Kardiologen sorgsam  die Vorteile und Nachteile der beiden Therapie-Optionen besprochen werden sollten. 


 

Herzinfarkt durch Corona-Viren

 

Nach Infektionen mit SARS-CoV-2 (COVID-19) werden vermehrt Herzinfarkte beobachtet. Wie es dazu kommt, war bisher nicht hinreichend geklärt. Aktuell konnten Forscher bei Verstobenen nach einer SARS-CoV-2-Infektion die Kranz-Gefäße (Koronar-Arterien) näher untersuchen. Bei den meist älteren Verstorbenen fanden sich auch sog. Plaques in den Arterien. Hierbei handelt es sich um Ablagerungen im Rahmen der Atherosklerose (Gefäßverkalkung). Bevorzugt in diesen Plaques konnten die Forscher nun auch Bestandteile der Corona-Viren nachweisen. In weiteren Experimenten konnte gezeigt werden, dass dies zu einer starken Entzündungs-Reaktion in den Plaques führt.

  • Eberhardt, N. Nat Cardiovasc Res (2023). https://doi.org/10.1038/s44161-023-00336-5  

Kommentar: Die direkte Infektion von Plaques mit den Corona-Viren führt zu entzündlichen Veränderungen der Plaques. Diese werden dadurch verletzlicher (vulnerabel) und die Oberfläche kann einreißen oder Platzen wie ein 'reifer Pickel'. Nachfolgend bildet sich dann häufig ein Blutgerinnsel, dass zum Verschluss der Arterie und damit zum Herzinfarkt führen kann. Die aktuellen Ergebnisse sind ein neuer Beleg für den Stellenwert von Infektionen und Entzündungs-Prozessen bei der Entstehung von Herzinfarkten.


 

Bessere Überlebens-Chance bei Herzinfarkt

 

Aktuell hat die Deutsche Herzstiftung den jährlichen Herzbericht 2022 vorgestellt. Besonders bemerkenswert ist der Rückgang tödlich verlaufender Herzinfarkte zwischen 2011 und 2021, bei Männern um 26% und bei Frauen um 33%. Ursächlich weisen die Experten auf verbesserte präventive, therapeutische und rehabilitative Optionen hin. Besonders hervorzuheben seien auch Verbesserungen in der Rettungskette und strukturelle Änderungen. Hier ist insbesondere die Einrichtung sog. Chest pain units (CPU -  Brustschmerz-Einheit) zu nennen, die auf die rasche Diagnostik und Therapie von Patienten mit Herzinfarkt spezialisiert sind. Bei Erfüllung besonderer Anforderungen an die personelle und apparative Ausstattung sowie strukturelle Vorgaben (z.B. 24-Stunden-Bereitschaft an 7 Tagen der Woche) werden diese Einrichtungen von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie zertifiziert. 

  • Presseinformation Deutsche Herzstiftung:  Herzbericht 2022

 

Katheter bei Herzinfarkt rettet noch mehr Leben

 

Die Katheter-Behandlung gilt heute als Standard-Behandlung bei akutem Herzinfarkt. Eine verbesserte Überlebens-Rate und ein geringeres Risiko für die Entwicklung einer Herzschwäche können auf diese Behandlung zurückgeführt werden.  

Im westlichen Teil von Dänemark wurde die Katheter-Behandlung seit 2003 routinemäßig bei Patienten mit akutem Herzinfarkt eingesetzt. Im Zeitraum von 2003 bis 2018  wurden insgesamt mehr als 19600 Patienten behandelt. In diesem Zeitraum nahm die Sterberate innerhalb des ersten Jahres nach dem Infarkt von 10,8 auf 7,7% ab. Dies entspricht einer Abnahme des relativen Risikos um 29%. 

  • Thrane PG. J Am Coll Cardiol. 2023 Sep, 82 (10) 999–1010 

Kommentar: Die weitere Abnahme des Sterbe-Risikos dürfte vornehmlich auf eine Optimierung der Behandlungs-Kette in Notarzt-Systemen und Krankenhäusern zurückzuführen sein. Betroffene sollten bei Verdacht auf Herzinfarkt (z.B. Brustschmerz, der 5 Minuten anhält) umgehend den Notarzt (Tel. 112) alarmieren. In dieser Situation muss jede unnötige Zeit-Verzögerung bis zur rettenden Behandlung vermieden werden.   


 

Herzinfarkt für Frauen doppelt gefährlich

 

In einer aktuellen Untersuchung aus Portugal wird über den Verlauf von 884 Patienten nach Herzinfarkt berichtet. Bei allen Patienten war wegen des Herzinfarkts die heute übliche Herzkatheter-Behandlung durchgeführt worden, um die verschlossene Arterie wieder zu eröffnen. In 27% der Fälle waren Frauen von dem Infarkt betroffen. Im Verlauf von 30 Tagen waren 11,8% der Frauen und 4,6% der Männer an den Folgen des Herzinfarktes verstorben.

  • Martinho M. Heart Failure 2023, a scientific congress of the European Society of Cardiology (ESC)
  • Focus Online, 16.6.2023

Kommentar: Auch in früheren Untersuchungen ist bereits über das erhöhte Risiko von Frauen im Falle eines Herzinfarktes berichtet worden. Unter anderem werden folgende Gründe für die erhöhte Gefährdung von Frauen diskutiert:

  • Der typische Brustschmerz steht bei Frauen oft weniger im Vordergrund. Andere nicht so typische Beschwerden wie Atemnot, Übelkeit/Erbrechen, Oberbauchschmerz können dominieren. Die Bedrohlichkeit der Situation wird sowohl von Seiten der Betroffenen als auch von Seiten des Medizin-Personals nicht immer rechtzeitig erkannt.
  • Frauen sind meist stärker in die Betreuung/Versorgung von Familien-Angehörigen wie Kindern und Eltern eingebunden. Eigene Bedürfnisse und die eigene Gesundheit werden oft zurückgestellt. Ärztliche Hilfe wird erst spät in Anspruch genommen. So beginnt die  Behandlung im Krankenhaus deutlich später als bei Männern. Bei einem Notfall wie dem Herzinfarkt zählt aber jede Minute.
  • Auch anatomische Gegebenheiten können sich für Frauen ungünstig auswirken. Durch die im Mittel kleinere Statur und damit auch kleinere Arterien sind Interventionen wie die Implantation einer Gefäßstütze (Stent) unter Umständen problematischer.
  • Im Mittelwert sind Frauen bei einem Infarkt älter als Männer, sodass oft zusätzliche Alters-Erkrankungen den Krankheits-Verlauf erschweren. 
  • Aber auch jüngere Frauen sind durch Herzinfarkte bedroht. In diesem Zusammenhang ist der zunehmende Nikotin-Konsum junger Frauen besonders kritisch zu sehen.

Die Studien-Ergebnisse sollten das Bewusstsein für die besondere Gefährdung von Frauen durch einen Herzinfarkt schärfen. Auch bei den geschilderten untypischen Symptomen sollte an das mögliche Vorliegen eines Herzinfarktes gedacht werden. In dieser Situation ist eine Verzögerung der Diagnostik und Behandlung unbedingt zu vermeiden.     


 

Herzinfarkt/Schlaganfall nach Infektion

 

In großen UK-Datenbanken mit insgesamt mehr als 330.000 Teilnehmern wurden rund 54.000 Patienten identifiziert, die wegen einer Infektions-Krankheit stationär behandelt werden mussten. Im ersten Monat nach der Infektion traten etwa 7-mal häufiger Herzinfarkte, Schlaganfälle und kardiale Todesfälle als bei Personen ohne Infektion auf. Auch in einer weiteren großen Datenbank konnten diese Ergebnisse bestätigt werden.

  • Sipilä PN. Circulation. 2023 Mar 27. doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.122.061183.  

Kommentar: Besonders die ersten Wochen nach einer schweren Infektion gehen mit einem deutlich erhöhten kardiovaskulären Risiko einher. Durch die Infektion ausgelöste allgemeine Entzündungs-Reaktionen dürften wesentlich dafür verantwortlich sein. Ablagerungen in den Arterienwänden (Arteriosklerose) können durch die Entzündungs-Prozesse instabil werden (aufweichen) und in der Folge einreißen. Die nachfolgende Bildung von Blutgerinnseln kann zum Arterien-Verschluss und so zu Herzinfarkt und Schlaganfall führen. Zum besseren Verständnis siehe auch den früheren Beitrag weiter unten -  "Herzinfarkt: Verstopftes Rohr oder geplatzter Pickel?"   


 

Herzkatheter: Handgelenk oder Leiste?

 

Eine arterielle Herzkatheter-Untersuchung wird in der Regel über die Leistenarterie (Femoral-Arterie) oder eine Arterie am Handgelenk (meist Radial-Arterie) durchgeführt. Aktuell wurden zusammenfassend randomisierte Studien mit insgesamt mehr als 21.000 Patienten analysiert, bei denen die beiden Zugangswege miteinander verglichen wurden. Als wesentliches Ergebnis zeigte sich bei Punktion der Leistenarterie ein höheres Risiko für schwere Blutungen. Bei Patienten mit ohnehin schon bestehender Blutarmut führte die zusätzliche Blutung sogar zu einem höheren Risiko für einen tödlichen Ausgang.

  • Gargiulo G. Circulation, 2022https://doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.122.061527

Kommentar: Bei der Auswahl des Punktionsortes sind im individuellen Fall vielfältige Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Als wesentlicher Vorteil des Radialis-Zugangs kann die geringere Neigung zu Blutungs-Komplikationen als gesichert gelten. Insbesondere bei Patienten mit schon vorbestehender Blutarmut sollte daher möglichst der Zugang über das Handgelenk gewählt werden. 


 

Herzinfarkte in 'heißen' Arterien

 

Mit einer neuen Technik konnten Forscher jetzt in den Koronar-Arterien entzündete 'heiße' Bezirke im Gegensatz zu 'kalten' Arealen nachweisen. Dazu wurden rund 700 Teilnehmer nach einem Herzinfarkt mit einem CT (Computer-Tomographie) und einer sog. Positronen-Emissions-Tomographie (PET) untersucht. Danach wurden die Teilnehmer über 4 Jahre begleitet. Bei Patienten mit 'heißen' Arealen traten in diesem Zeitraum ca. doppelt so viele Herzinfarkte und Todesfälle auf. 

  • Newby D, ESC-Kongress, August 2022, Barcelona  

Kommentar: Im Rahmen der Arteriosklerose (Arterien-Verkalkung) bilden sich Ablagerungen an der Innenseite der Arterienwände, sog. Plaques. Diese bestehen aus einem oft Cholesterin-reichen, weichen Kern und sind an der Oberfläche durch eine Deckplatte vom strömenden Blut der Arterie getrennt. Kommt es zu einem Einriss der schützenden Deckplatte (Plaque-Ruptur), dann bildet sich in der Arterie ein Blutgerinnsel, das zum Verschluss der Arterie und damit zum Herzinfarkt führt. Die Situation wurde mit der eines aufgebrochenen Pickels ('Popped Pimple') verglichen. Seit längerem ist bekannt, dass Entzündungs-Prozesse bei der Entwicklung einer Plaque-Ruptur eine maßgebliche Rolle spielen. Das o.g. sehr aufwendige Verfahren eröffnet für die Zukunft eine Perspektive, entzündete 'heiße' Areale in den Arterien von außen zu erkennen. Dies könnte dazu beitragen, besonders gefährdete Patienten frühzeitig zu identifizieren. Zum besseren Verständnis siehe auch den früheren Beitrag weiter unten -  "Herzinfarkt: Verstopftes Rohr oder geplatzter Pickel?" 


 

Herzinfarkt nach Gicht-Anfall

 

Gicht ist eine Stoffwechsel-Erkrankung, die mit einem erhöhten Harnsäure-Spiegel im Blut (Hyperurikämie) verbunden ist. Neben chronischen Beschwerden treten oft akute Gicht-Anfälle mit  starken Schmerzen, Berührungs-Empfindlichkeit, Rötung und Schwellung in den betroffenen Gelenken auf. Häufig ist das Großzehengrundgelenk betroffen. 

In der aktuellen Studie wurden mehr als 62.000 Patienten mit bekanntem Gicht-Leiden ausgewählt. Patienten, die ein kardiovaskuläres Ereignis (Herzinfarkt, Schlaganfall) erlitten hatten, wurden denen ohne ein solches Ereignis gegenübergestellt. Es zeigte sich, dass bei einem kardiovaskulären Ereignis in den vorhergehenden 2 Monaten nahezu doppelt so häufig ein akuter Gicht-Anfall vorausgegangen war.   

  •  Cipolletta E. JAMA. 2022 Aug 2;328(5):440-450. doi: 10.1001/jama.2022.11390. 

Kommentar: Der Zusammenhang von Entzündungs-Prozessen und der Entwicklung der Atherosklerose bis hin zum Herzinfarkt ist gut belegt. Auch die Entzündungs-Reaktion bei einem Gicht-Anfall könnte so zur Entstehung von Herzinfarkten und Schlaganfällen beitragen.


 

Kann Herzmuskel bald nachwachsen?

 

Bei einem Herzinfarkt stirbt ein Teil der betroffenen Herzmuskulatur ab. Anders als manche Amphibien oder Fische kann der Mensch im Erwachsenen-Alter praktisch kein neues Herzmuskel-Gewebe bilden. Im Bereich des Infarktes entsteht Narbengewebe. Dieses ist aber funktionslos, d.h. es kann sich nicht wie Muskelgewebe zusammenziehen (kontrahieren) oder erschlaffen und kann somit nicht zur Pump-Funktion des Herzens beitragen. Die Folge ist die Entwicklung einer Herzschwäche mit Luftnot, Leistungs-Schwäche und Wasser-Ansammlungen im Körper (Ödeme). 

In Labor- und Tierversuchen konnten Forscher jetzt nachweisen, dass sog. kardiale Vorläuferzellen gezielt in das Gebiet des Herzmuskel-Schadens einwandern, sich dort zu Herzmuskelzellen weiter-entwickeln und die Bildung von Narbengewebe verhindern können.

  • Poch CM. Nature Cell Biology (2022), 12.5.2022
  • FOCUS 13.5.2022

Kommentar: Die vielversprechenden Ergebnisse lassen hoffen, dass in nicht allzu ferner Zukunft Zell-basierte Therapien für Patienten nach Herzinfarkt zur Verfügung stehen. 


 

Kann CT den Herzkatheter ersetzen?

 

Bei mehr als 3500 Patienten mit Brustschmerzen und vermuteter stabiler koronarer Herzkrankheit (mittlere Wahrscheinlichkeit) wurde entweder ein Herzkatheter oder ein Koronar-CT-durchgeführt. Die Patienten wurden zufallsmäßig (wie beim Werfen einer Münze) den diagnostischen Verfahren zugeordnet. Im Verlauf über 3,5 Jahre zeigte sich zwischen den beiden Patienten-Gruppen kein wesentlicher Unterschied an kardiovaskulären Ereignissen (z.B. Herzinfarkt).

  • Maurovich-Horvat P. N Engl J Med. 4.3.2022; doi: 10.1056/NEJMoa2200963

Kommentar: Offensichtlich führt bei ausgewählten Patienten mit stabilen Symptomen die primäre Diagnostik mittels Koronar-CT nicht zu einer Risiko-Erhöhung. Allerdings bleibt für Patienten mit klaren Hinweisen auf eine KHK (hohe Wahrscheinlichkeit) oder mit akuten Beschwerden (Herzinfarkt, akutes Koronar-Syndrom) die Herzkatheter-Untersuchung weiterhin Standard, da im Rahmen einer CT-Untersuchung eine Behandlung (z.B. Stent-Implantation) nicht möglich ist. 


 

Bypass-OP mit oder ohne Herz-Lungen-Maschine?

 

Bei einer aorto-coronaren Bypass-Operation wird klassischerweise das Herz vorübergehend stillgelegt. Die Kreislauf-Funktion wird dann während der Operation von einer Herz-Lungen-Maschine übernommen, um alle Organe weiter ausreichend mit Sauerstoff zu versorgen. Allerdings wurde auch über mögliche nachteilige Nebenwirkungen durch diesen künstlichen Kreislauf berichtet. In der Folge entwickelten Chirurgen daher Techniken, die Operation ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine, am schlagenden Herzen, durchzuführen. In einer Studie mit mehr als 2200 Patienten wurden beide OP-Verfahren miteinander verglichen. Dabei wurden die Patienten zufallsmäßig (wie beim Werfen einer Münze) für eine OP mit oder ohne Herz-Lungen-Maschine ausgewählt. Aktuell liegen die Ergebnisse im Langzeit-Verlauf vor. Es fand sich nach 10 Jahren kein wesentlicher Unterschied im Hinblick auf Sterblichkeit oder andere Ereignisse wie z.B. die Rate an Herzinfarkten.

  • Quin J. JAMA Surg. 2022 Feb 16;e217578. doi: 10.1001/jamasurg.2021.7578. Online ahead of print.

Kommentar: Der generelle Verzicht auf den Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine bietet also keinen Vorteil. Allerdings kann im Einzelfall, z.B. bei starker Verkalkung der Aorta (Haupt-Schlagader des Körpers), der Einsatz der Herz-Lungen-Maschine problematisch bis unmöglich sein. Es müssen also immer die Besonderheiten des individuellen Falls bei der Entscheidung berücksichtigt werden.  


 

Eile auch bei Mikro-Infarkt geboten

 

Dem Herzinfarkt liegt der akute Verschluss einer Herzkranz-Arterie (Koronar-Arterie) zugrunde. Innerhalb von Minuten bis Stunden stirbt ein Teil des Herzmuskels ab. Durch rasche Wiederherstellung der Durchblutung im Rahmen einer Herzkatheter-Untersuchung kann Herzmuskel gerettet werden. In dieser Situation zählt jede Minute. Weniger bekannt ist, wie dringend die Behandlung bei Patienten ist, bei denen eine hochgradige Einengung bereits zu kleinsten Zellschäden (Mikro-Infarkt) geführt hat, bevor ein kompletter Verschluss der Arterie eingetreten ist. Die Symptome bei diesen Patienten sind oft weniger ausgeprägt und nicht länger anhaltend. In einer aktuellen Untersuchung wurden mehr als 6500 Teilnehmer in Korea mit Mikro-Infarkt im Verlauf über 3 Jahre begleitet. Teilnehmer die früh, innerhalb von 24 Stunden, nach ersten Symptomen ins Krankenhaus kamen, hatten eine Sterblichkeit von 10,5% im Vergleich zu 17,0% bei späterer Krankenhaus-Aufnahme.

  • Cha J.-J. et al. J Am Coll Cardiol. 2022 Feb, 79 (4) 311–323

Kommentar: Auch bei ersten, oft rasch vorübergehenden, Beschwerden (z.B. Enge der Brust) sollte umgehend ärztliche Hilfe gesucht werden. Oft sind es die Warnzeichen ("Warnschuss") vor einem  drohenden großen Herzinfarkt.  


 

Lipoprotein a weicht Plaques auf

 

Lipoprotein a (Lp a; gesprochen: Lipoprotein klein a) gehört zu den Blutfetten, die an Eiweiße (Proteine) gekoppelt sind. Ein hoher Blutwert für Lipoprotein a geht mit einem erhöhten Herzinfarkt-Risiko einher. Bisher war nicht bekannt, wie es zu diesem erhöhten Risiko kommt. In einer aktuellen Studie wurde bei 191 Patienten die Atherosklerose der Koronar-Arterien (Kranzgefäße) mittels CT untersucht. Dabei wurde der Anteil verschiedener Bestandteile der Plaques (Ablagerungen durch Atherosklerose) wie z.B. Verkalkungen, Bindegewebe oder weiche Anteile, die in der Regel sehr viel Fette wie Cholesterin enthalten, ermittelt. Bei einem erneuten CT nach 12 Monaten zeigte sich bei Patienten mit hohem Lp a eine Zunahme der weichen Plaque-Bestandteile, während die Plaque-Größe insgesamt unverändert blieb. 

  •  Kaiser Y. J Am Coll Cardiol. 2022 Jan, 79 (3) 223–233

Kommentar: Es ist bekannt, dass weiche Plaques eher als stark verkalkte Plaques zum Einreißen (Ruptur) neigen und zusammen mit einer dadurch ausgelösten Gerinnsel-Bildung in der Arterie Herzinfarkte verursachen können. Anscheinend kommt es bei hohem Lp a nicht zu einer Zunahme der Plaque-Größe, aber zu einer Änderung der qualitativen Zusammensetzung, mit relativer Zunahme weicher Plaque-Anteile. 


 

Mikro-Plastik entzündet Gefäße

 

Plastik-Partikel mit einer Größe im Bereich von 1 Mikrometer bis zu 5 mm werden als Mikroplastik bezeichnet. Mikroplastik-Teilchen sind weltweit in der Umwelt verbreitet. Sie werden sowohl industriell verarbeitet (z.B. in der Kosmetik-Industrie), entstehen aber auch durch Abbau-Prozesse von Plastik-Produkten. Teilweise konnten Partikel schon in Meerestieren aber auch menschlichen Ausscheidungen nachgewiesen werden. 

Eine Forscher-Gruppe aus Marburg konnte nun zeigen, welche Auswirkungen Mikro-Plastik auf die Blutgefäße hat. Bei Injektion in die Blutbahn von Mäusen führte dies zu Entzündungs-Prozessen in der Innenwand (Endothel) der Aorta (Haupt-Körper-Schlagader). Diese Entzündung gilt allgemein als frühes Stadium der Atherosklerose (Verkalkung) von Blutgefäßen.

  • Vlacil A-K et al. (2021) PLoS ONE 16(11): e0260181. https://doi.org/ 10.1371/journal.pone.0260181

Kommentar: Die Forscher sehen Mikro-Plastik als neuen Umwelt-Risikofaktor für die Atherosklerose-Entstehung, der zukünftig berücksichtigt werden sollte. 


 

Mehr Herzinfarkte an den Festtagen

 

Die amerikanische Herz-Gesellschaft (AHA) weist aktuell auf das erhöhte Risiko für Herzinfarkte an den Festtagen (Weihnachten und Jahreswechsel) und auch an den dazwischen-liegenden Tagen hin. Das höchste Risiko besteht an Heiligabend. Während sonst die meisten Infarkte in den frühen Morgenstunden auftreten, liegt der Häufigkeits-Gipfel an Heiligabend etwa um 22.00 Uhr. Über die Auslöser kann bisher nur spekuliert werden. Starke emotionale Belastungen, sowohl im positiven wie im negativen Sinn, üppige Mahlzeiten, ungewohntes Trink-Verhalten dürften wesentlich zu dem erhöhten Risiko beitragen. Aber auch ungewohnte körperliche Belastungen oder Kälte-Exposition könnten eine Rolle spielen. Besonders betroffen sind Menschen ab 75 Jahren und solche mit schon bekannter KHK (koronare Herzkrankheit) oder Diabetes mellitus.

 

Folgende Empfehlungen werden gegeben:

  1. Weiterhin gesundes Ernährungs-Verhalten
  2. Übermäßigen Stress vermeiden
  3. Keine ungewohnte starke körperliche Belastung
  4. Medikamente wie gewohnt einnehmen
  5. Auch an den Feiertagen und zwischen den Jahren körperliche Bewegung
  6. Auf Infarkt-Symptome achten, Warnzeichen erkennen
  7. Rechtzeitig handeln, nicht auf den nächsten Morgen, das neue Jahr, warten
  8. Auch an Feiertagen Notruf (in Deutschland 112) nutzen
  9. Bei Infarkt-Verdacht nicht aus Angst vor Corona Krankenhaus meiden
  • Cardiolgytoday, 11. Dezember 2021

Kommentar: Vergleichbare Empfehlungen wurden in der Vergangenheit auch von der Deutschen Herzstiftung verlautbart. Hier können Interessierte auch Informationen zu den Symptomen des Herzinfarktes abrufen.

https://www.herzstiftung.de/infos-zu-herzerkrankungen/herzinfarkt/anzeichen  


 

Atherosklerose durch Metalle

 

Bei mehr als 1800 Mitarbeitern der Auto-Industrie wurden die Konzentrationen für verschiedene Metalle im Urin untersucht. Gleichzeitig wurde nach Zeichen der Atheroskleorse in den wichtigen Gefäß-Regionen (Hals-Arterien, Herz-Kranz-Gefäße, Beinarterien) gesucht. Die Forscher fanden deutlich häufiger Zeichen der Atherosklerose bei Personen mit höheren Konzentrationen von Cadmium, Titan oder Arsen. Raucher wiesen besonders hohe Konzentrationen auf. 

  • Grau-Perez M. Arterioscler Thromb Vasc Biol. 2021;doi:10.1161/ATVBAHA.121.316358. 

Kommentar: Spuren verschiedener Metalle sind sowohl in Wasser, Nahrungsmitteln, Luft oder Rauch enthalten. Metall-Arbeiten sind mit einem zusätzlichen Risiko einer Exposition verbunden und können offensichtlich den Prozess der Atherosklerose beeinflussen. 


 

Auch Mentaler Stress bedroht das Herz

 

Aktuell wurde bei 918 Patienten mit chronischer stabiler KHK (Koronare Herzkrankheit) untersucht, wie sich unterschiedliche Belastungen im Verlauf auswirken. Dazu wurden mentale Belastungen  (öffentliches Reden) und körperliche Belastungen durchgeführt. Es wurden jeweils Patienten, bei denen die Belastung zu erkennbaren Durchblutungs-Störungen (Ischämie) des Herzmuskels führte, mit denen verglichen, bei denen sich trotz Belastung keine Durchblutungs-Störung nachweisen ließ. Die Patienten wurden über 5 Jahre begleitet und Herzinfarkte sowie kardiovaskuläre Todesfälle wurden dokumentiert. Im Vergleich zu Patienten ohne fand sich bei Patienten mit nachweisbarer Ischämie jeweils ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen im Langzeit-verlauf.  

Wenn körperliche Belastung zur Ischämie führte, war das Risiko 1,4-fach erhöht.

Wenn mentale Belastung zur Ischämie führte, war das Risiko 2,0-fach erhöht.

Wenn beide Belastungs-Formen zu einer Ischämie führten, war das Risiko 3,8-fach erhöht. 

  •  Vaccarino V. JAMA. 2021;326(18):1818-1828. doi:10.1001/jama.2021.17649

 Kommentar: Auch mentale Belastungen können wesentlich zu einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen beitragen. 


 

KHK nach Bestrahlung wegen Brustkrebs

 

Bei über 900 Frauen war eine Bestrahlung des linken oder rechten Brust-Bereiches wegen Brustkrebs durchgeführt worden. Im Verlauf von 27.5 Jahren wurde bei 10.5% bzw. 5,8% der Frauen nach Bestrahlung der jeweils linken oder rechten Brust-Seite eine koronare Herzkrankheit (KHK) festgestellt. Die Bestrahlung der linken Brustseite war also mit einem doppelt so hohen Risiko für die Entwicklung einer KHK verbunden. 

  • Carlson L. JACC: CardioOncology. Volume 3, Issue 3, September 2021, Pages 381-392 

Kommentar: Die intensivere Strahlen-Exposition des Herzens bei linksseitiger Bestrahlung führt im Langzeit-Verlauf zu einem höheren Risiko für die Entwicklung einer KHK, sodass bei diesen Patientinnen besonders auf Zeichen einer Mangel-Durchblutung des Herzens geachtet werden sollte. 


 

Stumme KHK häufiger als gedacht

 

In einer schwedischen Studie wurde bei mehr als 25.000 Teilnehmern (Alter 50-64 Jahre) ohne bisher bekannte Koronare Herzkrankheit (KHK - Atherosklerose der Herz-Kranzgefäße) ein sog. Koronar-CT durchgeführt. Mit dieser Untersuchung können einerseits Verkalkungen (Calcium-Ablagerungen) festgestellt und mit einem Score quantifiziert werden (Calcium Scoring). Mit Hilfe von Kontrastmitteln können die Gefäße darüber hinaus bereits annähernd so gut wie bei einem Herzkatheter dargestellt werden (CT-Angio) und Verengungen festgestellt werden. Als wichtigstes Ergebnis fanden die Forscher bei rund 42 % der Patienten ohne bisher bekannte Herz-Erkrankung mit der CT-Angio atherosklerotische Ablagerungen in den Kranzgefäßen. Wie schon aus früheren Untersuchungen bekannt, treten die Veränderungen bei Frauen im Mittel um 10 Jahre verzögert auf. Bei einem Calcium-Score über 400 konnten bei allen Patienten mit der CT-Angio Ablagerungen festgestellt werden. Nahezu in der Hälfte dieser Fälle lag schon eine mehr als 50%ige Einengung von Arterien vor. Auch bei einem Calcium-Score von 0 sind Ablagerungen nicht ausgeschlossen. Immerhin ließen sich bei 5% der Teilnehmer weiche, fettreiche, noch nicht verkalkte Ablagerungen nachweisen.  

  • Bergström G. Originally published 20 Sep 2021, Circulation. 2021;144:916–929 

Kommentar: Auch bei bisher beschwerdefreien Personen liegen offensichtlich bei fast jedem Zweiten der genannten Altersgruppe bereits Ablagerungen in den Herz-Kranzgefäßen vor. Es ist bekannt, dass auch geringgradige Ablagerungen unter ungünstigen Bedingungen (z.B. Entzündung, Infekt, Blutdruckanstieg) einen Herzinfarkt auslösen können. Das alleinige Calcium-Scoring kann offenbar nicht mit hinreichender Sicherheit das Vorliegen von Ablagerungen ausschließen.  


 

Plaques kleiner und härter durch Statine

 

Durch Statine (Cholesterin-Senker) kann das Auftreten von Herzinfarkten verhindert werden. Um diese Wirkung näher zu erforschen, wurden rund 2400 atherosklerotische Plaques in den Kranzgefäßen von 857 Patienten mittels CT im Abstand von mindestens 2 Jahren zweimal untersucht. Für jede einzelne Plaque wurde die Dichte/Härte im CT gemessen. Dabei fand sich eine Abstufung von ganz weichen (Cholesterin-reichen) über derb-bindegewebige bis hin zu stark verkalkten (Calcium-haltigen) Plaques. Etwa 64% der Patienten erhielten eine Statin-Behandlung, während die anderen Teilnehmer unbehandelt blieben. Bei Teilnehmern ohne Statin-Behandlung kam es im Verlauf zu einem Größen-Wachstum aller Plaque-Arten. Bei Statin-Therapie zeigte sich ein geringeres Wachstum, bei sehr weichen Plaques sogar eine Schrumpfung der Plaque-Größe. Die Calcium-Dichte (Verkalkungsgrad) nahm bei Statin-Behandlung zu.  

  • Rosendael van A. JAMA Cardiol. Published online August 18, 2021. doi:10.1001/jamacardio.2021.3055

Kommentar: Es ist bekannt, dass die Mehrzahl der Herzinfarkte durch eine sog. Ruptur von eher weichen Plaques entstehen. Die Oberfläche dieser weichen Plaques ist verletzlich und kann leicht, z.B. bei einem Blutdruckanstieg, einreißen. Dann kann sich in Sekunden/Minuten ein Blutgerinnsel in der Arterie bilden, das zu einem Verschluss der Arterie und damit zum Infarkt führen kann. Mit der Abnahme des Cholesterin-Spiegels im Blut durch Statine wird auch den weichen, stark Cholesterin-haltigen, Plaques Cholesterin entzogen, was zu einer gewissen Größen-Abnahme dieser Plaques führt. Insbesondere werden die Plaques aber härter und damit stabiler. Sie sind in der Folge weniger Ruptur-gefährdet und weniger bedrohlich. 


 

Statine bei Koronar-Kalk im CT

 

Der Stellenwert von Statinen (Cholesterin-Senker) bei Patienten mit nachgewiesenen Einengungen (Stenosen) der Koronar-Arterien ist gut belegt. In frühen Stadien der Erkrankung können Verkalkungen der Arterienwand bereits vor dem Vorliegen von wesentlichen Einengungen mittels Koronar-CT nachgewiesen werden. Aktuell wurde das Auftreten von Herzinfarkten und Todesfällen bei rund 33.000 Patienten ohne Einengungen im Koronar-CT über 3,5 Jahre ermittelt. Je ausgeprägter die Gefäß-Verkalkungen waren, umso größer war das Risiko für Herzinfarkte und Todesfälle im Verlauf. Auch nahm der Nutzen von Statinen zur Verhinderung von Todesfällen und Infarkten mit zunehmendem Ausmaß der Gefäß-Verkalkung zu.  

  • Ovrehus K. JACC, Jul 14, 2021. Epublished DOI: 10.1016/j.jcmg.2021.05.022 

Kommentar: Die Behandlung mit Statinen bei Patienten mit Einengungen der Kranzgefäße ist allgemeiner Therapie-Standard. Die aktuellen Ergebnisse legen auch einen Nutzen einer Statin-Therapie in frühen Stadien der Erkrankung nahe.  


 

Herzinfarkt durch Fußball-EM?

 

Aktuell sorgt die laufende Fußball-Europa-Meisterschaft wieder für Begeisterung. Spannende Spiele können mit erheblichen emotionalen Belastungen der Zuschauer einhergehen. Dies kann sich auch auf das Herz-Kreislauf-System auswirken. So konnte hierzulande im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 während der Spiele der deutschen National-Mannschaft eine Zunahme der Herzinfarkte um das 2,5-fache festgestellt werden. 

  • Wilbert-Lampen U. NEJM, 2008 Jan 31;358(5):475-83. doi: 10.1056/NEJMoa0707427. 

Kommentar: Eine Aktivierung des sympathischen Nervensystems und vermehrte Ausschüttung von Stresshormonen liegt dem erhöhten Risiko von Herzinfarkten in diesen Fällen zugrunde. Besonders Patienten mit bereits vorbestehender Herzerkrankung, wie z.B. nach früherem Herzinfarkt, sollten sich nicht übermäßig emotional engagieren. Kurze Entspannungs-Übungen können zur Absenkung des Stress-Niveaus beitragen. Bei aller Wertschätzung für das Ereignis, sollte man auch nicht aus den Augen verlieren, dass es sich nur um ein Ballspiel handelt. Auch sollten andere ungünstige Einflüsse wie Rauchen, übermäßiges und fettes Essen, sowie Alkohol-Konsum vermieden werden. 


 

Kalzium-Score bestimmt Prognose

 

Bei mehr als 4800 Patienten wurde der Kalzium-Gehalt im Sinne eines Scores in den Herzkranzgefäßen durch CT (Computer-Tomographie) bestimmt. Die Patienten wurden über 13,6 Jahre begleitet und das Auftreten kardiovaskulärer Komplikationen, u.a. Herzinfarkt oder Schlaganfall dokumentiert. Bei einem Score von mehr als 1000 war das Risiko im Vergleich zu einem Score von 400-1000 etwa 1,7-fach erhöht und im Vergleich zu einem Score von 0 etwa 4,7-fach erhöht.

  • Peng A. Circulation. Originally published 2 Mar 2021 https://doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.120.050545Circulation. ;0

Kommentar: Es zeigt sich also eine klare Beziehung zwischen der Höhe des Kalzium-Scores und der langfristigen Prognose. Die Daten können dabei helfen, besonders gefährdete Patienten zu identifizieren und entsprechende präventive Maßnahmen einzuleiten.


 

Herzinfarkt durch Zahnfleisch-Entzündung

 

Bei mehr als 300 Patienten wurde ein PET-CT (Positronen-Emissions-Tomographie/ Computer-Tomographie) durchgeführt. Mit diesem Verfahren lassen sich Entzündungs-Prozesse des Körpers besonders gut darstellen. Die Forscher fanden einen klaren Zusammenhang zwischen dem Vorliegen von entzündetem Zahnfleisch und entzündeten Körper-Arterien. Im Verlauf von 4 Jahren traten auch häufiger kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt oder Schlaganfall bei Personen mit entzündetem Zahnfleisch auf. 

  • Van Dyke T et al. Peridontology. First published: 29 January 2021. https://doi.org/10.1002/JPER.19-0441

Kommentar:  Die Untersuchung liefert einen weiteren Beleg für den Zusammenhang zwischen Zahnfleisch-Entzündungen (Peridontitis) und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dabei wird das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall offensichtlich über Entzündungs-Prozesse vermittelt, die neben dem Zahnfleisch auch das Arterien-System betreffen. Gute Zahn-Hygiene dient also nicht nur dem Erhalt der Zähne, sondern auch der Vermeidung von Herz-Kreislauf-Problemen.  


 

Herzinfarkt: "Verstopftes Rohr" oder "geplatzter Pickel"

 

Im Rahmen der Arteriosklerose (Arterien-Verkalkung) bilden sich Ablagerungen an der Innenseite der Arterienwände, sog. Plaques. Diese bestehen aus einem oft Cholesterin-reichen, weichen Kern und sind an der Oberfläche durch eine Deckplatte vom strömenden Blut der Arterie getrennt.

 

Risiko besonders bei hochgradigen Einengungen

Allgemein hat sich die Vorstellung verfestigt, dass es durch allmähliches Wachstum der Plaques  zu einer langsam zunehmenden Einengung (Stenose) einer Arterie bis hin zu einem kompletten Verschluss und damit zum Herzinfarkt kommt. Dies entspricht dem Bild des "verstopften Rohres". Dabei wird das Risiko der Erkrankung weitgehend am Ausmaß der Einengung (Stenose) festgemacht. 

 

Mehrzahl der Herzinfarkte an Stellen mit geringer Einengung

Es ist aber seit langem bekannt, dass die meisten Herzinfarkte an Stellen der Herzkranzarterien entstehen, die zuvor noch gar keine wesentliche Einengung verursachten, und damit für die Patienten auch nicht spürbar waren. Während nur wenige Plaques eine deutliche Einengung einer Arterie verursachen, liegen gleichzeitig meistens zahlreiche Plaques vor, die noch nicht zu einer bedeutsamen Einengung der Arterie führen. Vergleichbar etwa mit einer Jahrzehnte-alten Rohrleitung, in deren Inneren sich vielfache Ablagerungen finden, die aber nur an wenigen Stellen 

den Durchfluss wesentlich behindern.

 

Konzept des „geplatzten Pickels“

Auch diese geringgradigen Plaques, die zahlenmäßig bei weitem überwiegen, können aber bedrohlich werden.  Durch bestimmte Einflüsse z.B. bei chronischen Entzündungen, aber auch durch Rauchen kann die Oberfläche der Plaques ausdünnen und schließlich unvermittelt aufbrechen. Das plötzliche Aufbrechen kann z.B. durch einen Blutdruck-Anstieg bei Belastungen oder Stress aber auch plötzliche Kälte-Exposition ausgelöst werden. Bei einer solchen Plaque-Ruptur versucht der Körper, die entstandene Wunde durch die Bildung eines Blut-Gerinnsels zu verschließen. Dadurch kann es in Sekunden bis Minuten zu einem vollständigen Verschluss der Arterie über der Plaque kommen und aus heiterem Himmel zum Auftreten eines Herzinfarktes. Dieser Mechanismus liegt den meisten Herzinfarkten zugrunde. Der bekannte Harvard-Forscher P. Libby vergleicht die Situation mit der eines aufgebrochenen oder geplatzten Pickels (im Englischen „Popped Pimple“). 

 

Was ist zu tun?

Es ist bisher nicht möglich, vorherzusagen, welcher "Pickel" aufbrechen wird. Gegen die Vielzahl der Plaques mit nur geringgradiger Einengung sind daher am Besten medikamentöse Strategien wirksam, in erster Linie Cholesterin-Senker wie die sog. Statine, aber auch die Behandlung anderer Risikofaktoren wie Diabetes und Bluthochdruck, sowie die Einstellung des Rauchens. Dadurch kann die Oberfläche der Plaques stabilisiert werden und die Tendenz zum Platzen eines "Pickels" nimmt in allen Arterien-Segmenten ab.   

 

Manchmal auch langsames Zuwachsen

Auch das langsame Zuwachsen einer Arterie ist möglich und verursacht dann oft Angina pectoris (Brustenge) bei Belastungen, wenn z.B. mehr als 70% des Arterien-Querschnitts verlegt sind. In diesen Fällen mit einer begrenzten hochgradigen Verengung der Arterie kann eine Aufdehnung mit Stent-Implantation einer weiteren Verengung vorbeugen. 

  • Angelehnt an einen Beitrag von A. Pearson, MedPage Today, 7.2.2021

 

Herzinfarkt durch Kälte und Schnee

 

Die meisten Herzinfarkte treten bekanntermaßen im Winter auf. Kälte bewirkt, dass sich Blutgefäße, auch die Herzkranzgefäße, verengen. Angina pectoris (Brustenge) oder Herzinfarkt können die Folge sein. Besonders hoch ist das Risiko bei ungewohnter körperlicher Belastung in Kälte, z.B. Schneeschaufeln. Vor allem Untrainierte und Personen mit kardialen Vorerkrankungen wie früherem Herzinfarkt oder Herzschwäche sind gefährdet und sollten akute Überlastungen vermeiden. Schmerzen, Druckgefühl oder Brennen im Brustbereich, aber auch ungewöhnliche Atemnot, können auf einen beginnenden Herzinfarkt hinweisen.   

  • FOCUS-online  7.2.2021

 

Lässt Kalzium Arterien verkalken?

 

Kalzium-Präparate werden oft als Nahrungs-Ergänzungsmittel eingenommen. Über die langfristige Wirkung auf die Arterien ist bisher wenig gesichert. Aktuell wurden die Ergebnisse mehrerer Studien mit 4700 Patienten ohne und 447 mit regelmäßiger Einnahme von Kalzium-Präparaten analysiert. Bei allen Patienten war wegen einer koronaren Herzkrankheit (Atherosklerose der Herzkranz-Arterien) zweimal in einem Abstand von bis zu 2 Jahren eine sog. intravaskuläre Ultraschall-Untersuchung durchgeführt worden. Mit dieser Methode kann insbesondere die Struktur der Arterienwand vom Inneren der Arterien aus beurteilt werden. So können z.B. weiche Plaques (Ablagerungen), die sehr viel Cholesterin enthalten, von sehr harten, stark Kalzium-haltigen, Plaques unterschieden werden.  Bei der aktuellen Auswertung zeigte sich, dass die regelmäßige Einnahme von Kalzium-Präparaten mit einer deutlich nachweisbaren zunehmenden Verkalkung der Arterien im Verlauf von 2 Jahren verbunden war. 

  • Bazarbashi N et al. JACC Cardiovasc Imaging 2021 Jan;14(1):259-268 

Kommentar: Die schon nach 2 Jahren nachweisbaren Arterien-Veränderungen sollten bei langfristiger Einnahme von Kalzium-Präparaten bedacht werden. Zwar wurden in der vorliegenden Studie nur die Auswirkungen im Bereich der Koronar-Arterien untersucht. Es scheint aber naheliegend, dass auch andere Arterien wie z.B. Hals- und Hirn-Arterien in ähnlicher Weise betroffen sein könnten. Die langfristige Einnahme von Kalzium-Präparaten ohne klare medizinische Indikation sollte daher kritisch hinterfragt werden. 


 

Bei Herzinfarkt zählt jede Minute 

 

Dem Herzinfarkt liegt der plötzliche Verschluss einer Koronararterie (Herzkranzgefäß) zugrunde. Dadurch wird der Herzmuskel nicht mehr mit Sauerstoff versorgt und stirbt allmählich ab. Der Beginn des Herzinfarktes äußert sich typischerweise durch anhaltende Brustschmerzen. Glücklicherweise kann heute der Verschluss durch einen rasch durchgeführten Herzkatheter behoben, bzw. die Durchblutung wiederhergestellt werden. In einer aktuellen Studie wurden die Ergebnisse von mehr als 3000 Patienten mit Herzinfarkt analysiert. Bei allen Patienten wurde die Zeitdauer vom Beginn der Symptome bis zur Behandlung im Herzkatheter-Labor gemessen. Nach 1 Monat wurde dann die Größe des Herzinfarktes mit einem MRT des Herzens (Magnetresonanz-Tomographie) bestimmt. Dabei zeigten sich die besten Ergebnisse, wenn die Behandlung schon in den ersten 2 Stunden nach Schmerzbeginn durchgeführt wurde. Die größten Herzinfarkte fanden sich bei Patienten, bei denen erst nach mehr als 4 Stunden die Durchblutung wiederhergestellt werden konnte.

  • Redfors B et al. 14 Jan 2021https://doi.org/10.1161/CIRCINTERVENTIONS.120.009879Circulation: Cardiovascular Interventions.

Kommentar: Die Größe des Herzinfarktes entscheidet über die langfristige Prognose der betroffenen Patienten. Je später die Behandlung, umso größer der Infarkt. Je größer der Infarkt, umso größer das Risiko für bleibende Herzschwäche oder vorzeitigen Tod. Betroffene und Angehörige sollten daher nicht zögern, bei ersten Symptomen den Notarzt (112) zu alarmieren. Bei jedem Brustschmerz, der länger als 5 Minuten andauert, besteht der dringende Verdacht auf einen Herzinfarkt. Auf keinen Fall sollten Betroffene aus falsch verstandener Rücksicht wertvolle Zeit verlieren, z.B. nachts nicht auf den nächsten Morgen warten. Die Krankenhäuser mit Herzkatheter-Labor sind rund um die Uhr an 7 Tagen in der Woche auf die Versorgung von Patienten mit Herzinfarkt eingestellt.  


 

CT erkennt Infarkt-Risiko am Bauchfett

 

Das Risiko für zukünftige Herzinfarkte kann näherungsweise bei Vorliegen bestimmter Risikofaktoren wie Cholesterin-Erhöhung, hohem Blutdruck oder Übergewicht geschätzt werden. Für Letzteres wird oft der sog. Body-Mass-Index (BMI) verwendet. Bei diesem Index wird neben dem Körpergewicht auch die Körpergröße berücksichtigt. Allerdings sagt der Index nichts über die Zusammensetzung (Muskel oder Fett) aus. Im CT (Computer-Tomographie) wurde jetzt das Bauchfett von mehr als 23.000 Personen untersucht. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz („Deep learning“) wurde die Zusammensetzung des Bauchfetts näher analysiert. Dadurch konnte das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle in den nächsten 5 Jahren besser vorausgesagt werden.

  • Magudia K, Radiological Society of North America, 2020
  • Susman E,  MedPage Today, 3.12.2020

Kommentar: Bauchfett gilt als besonders ungünstig für das kardiovaskuläre Risiko. Durch die genauere Analyse der Zusammensetzung des Bauchfetts mittels CT und künstlicher Intelligenz lässt sich die Risiko-Beurteilung verbessern. 


 

Stents zur Vorbeugung ?

 

Stents (Gefäß-Stützen) werden in der Regel bei hochgradig verengten Kranzgefäßen implantiert, wenn Symptome wie eine Angina pectoris (Brustenge) oder ein Herzinfarkt vorliegen. Nicht selten werden bei Patienten aber nur mittelgradige Einengungen gefunden, die noch keine Beschwerden verursachen. Hier ist in der Regel nur eine medikamentöse Behandlung zur Vorbeugung (z.B. Cholesterinsenker) angezeigt. Es ist aber bekannt, dass auch die qualitative Zusammensetzung dieser Engstellen (auch Plaque genannt) über das zukünftige Schicksal entscheidet. Enthalten sie im Inneren viel Fett/Cholesterin und sind eher von weicher Konsistenz, haben sie oft eine dünne verletzliche Oberfläche (so wie die "Haut" auf einem erkalteten Puddding). Reißt diese zum Beispiel bei einem Blutdruck-Anstieg ein, dann bildet sich ein Blut-Gerinnsel, das zum Verschluss der Arterie und damit zum Infarkt führen kann.

 

In einer aktuellen Studie wurde bei rund 180 Patienten randomisiert (zufallsmäßige Zuteilung der Therapie, wie beim Werfen einer Münze) untersucht, inwieweit es hilfreich sein kann, durch vorbeugende Implantation von Stents, solche "vulnerablen" Plaques zu stabilisieren. Hierzu wurden bei einer Hälfte der Patienten sog. bioresorbierbare Gefäßstützen implantiert, die sich im Verlauf über einige Monate/Jahre zwar auflösen, aber durch Reaktion mit der Gefäßwand zu einer stabileren Gefäß-Oberfläche beitragen. Die anderen Patienten erhielten die übliche rein medikamentöse Therapie. Nach 2 Jahren waren die behandelten Gefäß-Engstellen bei Patienten nach Stent-Implantation wesentlich durchgängiger als bei rein medikamentöser Therapie (6,9qmm offener Gefäß-Querschnitt im Vergleich zu 3.0 qmm). Im Verlauf von 4 Jahren traten tendentiell bei rein medikamentöser Therapie häufiger Angina pectoris-Beschwerden auf, auch waren Eingriffe zur Verbesserung der Durchblutung etwas häufiger erforderlich. Bezüglich der Infarkt- oder Sterberate fand sich aber kein wesentlicher Unterschied.

  • Stone G et al. Journal of the American College of Cardiology October 2020DOI: 10.1016/j.jacc.2020.09.547

Kommentar: Die Ergebnisse dieser interessanten Pilot-Studie erlauben noch keine generelle Empfehlung für eine rein vorbeugende Implantation von Gefäßstützen bei sog. vulnerablen Plaques. Es müssen immer auch die möglichen Risiken solch invasiver Behandlungen berücksichtigt werden. Die Durchführung größerer Studien zur Überprüfung dieses Konzepts wäre aber wünschenswert.  


 

Herzkatheter auch bei Senioren mit Herzinfarkt sinnvoll

 

Bei Patienten mit kleinerem Herzinfarkt (sog. NSTEMI) wird in der Regel eine Herzkatheter-Untersuchung durchgeführt. Verengte Herzkranzgefäße können dann z.B. durch Stents, manchmal auch mit Hilfe einer Bypass-Operation, wieder besser durchblutet werden. So kann meist das sonst drohende Fortschreiten hin zu einem großen Herzinfarkt noch verhindert werden. In bisherigen Studien waren allerdings nur verhältnismäßig wenig ältere Patienten untersucht worden. In einer retrospektiven Analyse wurden jetzt die Ergebnisse bei 1500 Senioren mit NSTEMI und einem Alter über 80 Jahre (median 86 J.) untersucht. Bei 44% der Patienten war ein Herzkatheter durchgeführt worden, mit der Option weiterer Maßnahmen wie der Ballon-Aufdehnung und Implantation von Stents. Bei 56% erfolgte eine rein medikamentöse Therapie. Im Verlauf der folgenden 5 Jahre verstarben 36% der Gruppe mit und 55% der Gruppe ohne Herzkatheter-Untersuchung. 

  • Kaura A. et al.:. Lancet 2020; 396: 623 – 34

Kommentar: Die Ergebnisse zeigen, dass auch ältere Patienten durchaus von der Herzkatheter-Diagnostik und -Therapie einen Nutzen haben. Allerdings handelt es sich bei der o.g. Studie um eine rückblickende Betrachtung und nicht um eine sog. randomisierte Studie (zufallsmäßige Zuteilung der Therapie, wie beim Werfen einer Münze). Bei der rein retrospektiven Betrachtung ist nicht auszuschließen, dass Ärzte vor vornherein bei besonders beeinträchtigten Patienten keine Herzkatheter-Untersuchungen durchgeführt haben. Dies könnte zumindest teilweise auch den schlechteren Verlauf dieser Patienten erklären. Die Ergebnisse einer noch laufenden randomisierten Studie werden zur abschließenden Klärung dieser Frage wesentlich beitragen können.   


 

Stammzell-Therapie nach Herzinfarkt enttäuscht

 

Der durch einen Herzinfarkt abgestorbene Teil des Herzmuskels kann sich nicht selbst regenerieren. Die Folge ist eine bleibende Narbe und Einschränkung der Herzleistung. Seit längerem wird die sog. Stammzell-Therapie bei Patienten nach Herzinfarkt untersucht, in der Hoffnung, dass die Stammzellen sich im Infarktgebiet ansiedeln und neue Herzmuskelzellen bilden. Dadurch sollte die Herzfunktion und langfristig die Überlebensrate der Patienten verbessert werden. Bisherige Untersuchungen hatten widersprüchliche Ergebnisse geliefert.

 

In die aktuelle Studie waren 375 Patienten nach Herzinfarkt und dadurch eingeschränkter Herz-Leistung aufgenommen worden. Die Teilnehmer wurden randomisiert (zufallsmäßig, wie beim Werfen einer Münze) entweder einer Stammzell-Therapie innerhalb von 8 Tagen nach dem Herzinfarkt oder einer Kontroll-Gruppe ohne Stammzell-Therapie zugeteilt. Körpereigene Stammzellen wurden aus dem Knochenmark der betreffenden Patienten entnommen und über einen Katheter in die Kranzgefäße und damit in das Infarkt-Gebiet infundiert. Im Verlauf von 2 Jahren zeigte sich kein wesentlicher Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen bei vergleichbarer Sterblichkeit. Sechs Patienten waren in der Gruppe mit und sieben Patienten in der Gruppe ohne Stammzell-Therapie verstorben.

  • Mathur A et al. European Heart Journal, ehaa651, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehaa651

Kommentar: Die vorliegende Studie ist zwar die Größte dieser Art, aber das ehrgeizige Ziel von ursprünglich 3000 geplanten Studien-Teilnehmern war nicht annähernd erreicht worden. Damit war die statistische Aussagekraft der Studie nicht ausreichend. In einer zusammenfassenden Analyse bisheriger kleinerer Studien mit mehr als 1700 Patienten war zwar eine verbesserte Herzfunktion nach Stammzell-Therapie beschrieben worden, aber eine Verbesserung der Überlebensrate von Patienten konnte auch damit nicht belegt werden. Einige größere Studien zu dieser Thematik sind noch nicht abgeschlossen. Die Ergebnisse werden mit Spannung erwartet. 


 

Colchicin bei KHK teilweise erfolgreich

 

Seit längerem bestehen Hinweise darauf, dass Entzündungs-Prozesse an der Entstehung der Atherosklerose (Gefäß-Verkalkungen), wie z.B. der Koronaren Herzkrankheit (KHK), beteiligt sind. Colchicin, ein Gift der Herbstzeitlosen, wird wegen seiner entzündungs-hemmenden Wirkung bei Patienten mit akutem Gichtanfall oder Herzbeutel-Entzündungen eingesetzt. Aktuell wurde Colchicin in einer Dosierung von 0,5 mg täglich im Vergleich zu Placebo (Schein-Medikament) bei rund 5500 Patienten mit chronischer KHK über 29 Monate (Median) untersucht. In der Colchicin-Gruppe fand sich im Verlauf mit 6,8% gegenüber 9,6% eine deutlich geringere Rate an kardiovaskulären Komplikationen (Herzinfarkt, Schlaganfall, Tod aus Herzkreislauf-Ursache oder Eingriff zur Durchblutungs-Verbesserung der Kranzgefäße). Allerdings wurden mehr Todesfälle aus nicht kardiovaskulärer Ursache in der Colchicin-Gruppe beobachtet (1,9% im Vergleich zu 1,3%). Demgegenüber waren kardiovaskuläre Todesfälle mit 0,7 gegenüber  0,9% und die Gesamt-Sterblichkeit mit 2,6 gegenüber 2,2% nicht wesentlich unterschiedlich.

  • Nidorf  SM et al. N Engl J Med 2020 Aug 31. doi: 10.1056/NEJMoa2021372. Online ahead of print.

Kommentar: Das Ergebnis wurde zusätzlich zu den schon etablierten Standard-Therapien erreicht und bestätigt den möglichen Nutzen einer entzündungs-hemmenden Therapie bei koronarer Herzkrankheit (KHK). Die in der aktuellen Studie erhöhte Rate von Todesfällen aus nicht-kardiovaskulärer Ursache relativiert das ansonsten günstige Ergebnis. In einer früheren Studie war Colchicin bei Patienten nach Herzinfarkt erfolgreich getestet worden (siehe Herz-News-Beitrag weiter unten).


 

Herzinfarkt-Diagnose im Speichel

 

Die Diagnose eines Herzinfarktes beruht im Wesentlichen auf dem Nachweis von Troponin im Blut. Dieses Struktur-Protein des Herzens wird bei einem Absterben von Herzmuskelzellen (Herzinfarkt) freigesetzt und kann dann im Blut nachgewiesen werden. Israelische Forscher haben jetzt Troponin nach entsprechender Proben-Aufbereitung bei 21von 25 Infarkt-Patienten auch im Speichel nachweisen können. Damit wurde in 84% der Fälle die Diagnose Herzinfarkt richtig auch in der Speichel-Probe erkannt. 

  • Westreich R et al.  ESC Congress 2020 - The Digital Experience, 29.08.-01.09; Abstract: 85437.
  • ESC-Pressemitteilung: Spit in a tube to diagnose heart attack, veröffentlicht am 26. August 2020
  • Schlimpert V, kardiologie.org 28.8.20 

Kommentar: Die weitere Entwicklung des Verfahrens könnte dazu führen, dass ein Herzinfarkt in Zukunft noch schneller und ohne Blutentnahme festgestellt werden kann. 


 

Computer erkennt Herz-Erkrankung am Gesicht

 

Zur Diagnose von Verkalkungen und Verengungen der Koronar-Arterien (Koronare Herzkrankheit, KHK) sind u.a. EKG, Belastungsteste, CT oder eine Herzkatheter-Untersuchung erforderlich. Chinesische Forscher haben jetzt Computer "trainiert ", das Vorhandensein einer KHK allein am Gesicht der Patienten zu erkennen. Dazu haben sie in einer Lernphase den Computer mit den Gesichts-Fotos sowie dem jeweils zugehörigen Befund der Koronar-Arterien von mehr als 5000 Teilnehmern "gefüttert".  Anschließend sollte der Computer in einer Testphase bei etwa 1000 anderen Patienten allein aufgrund eines Gesichtsfotos entscheiden, ob der jeweilige Patient an einer KHK leidet oder nicht. In immerhin 80% der Fälle hat der Computer die erkrankten Personen richtig erkannt. Welche Merkmale für den Computer jeweils im Foto ausschlaggebend waren, konnte bisher nicht ermittelt werden.

  • Lin S et al. Eur Heart J. 2020 Aug 20:ehaa640. doi: 10.1093/eurheartj/ehaa640. Online ahead of print.PMID: 32818267

Kommentar: Trotz der schon vielversprechenden Ergebnisse ist es für einen klinischen Einsatz dieser Technologie noch zu frühÜber ähnliche Beispiele für den Einsatz künstlicher Intelligenz wurde bereits in Herz-News berichtet (siehe früherer Beitrag im Abschnitt - Vorhofflimmern - "Künstliche Intelligenz zur frühen Diagnose von Vorhofflimmern".


 

Riskante Schmerzmittel nach Herzinfarkt

 

Sog. NSAR (nicht-steroidale Antirheumatika) werden häufig bei Patienten mit Gelenk-Beschwerden wie z.B. bei rheumatischer Arthritis oder Arthrose eingesetzt. Typische Vertreter sind u.a. Ibuprofen, Diclofenac oder Naproxen. In einer aktuellen Untersuchung wurde der Einfluss einer begleitenden Schmerztherapie bei über 108.000 Patienten nach einem Herzinfarkt untersucht. Es fand sich ein etwa 7-fach höheres Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen (Schlaganfall, Todesfall, erneuter Herzinfarkt) und ein etwa 4-fach höheres Risiko für Blutungs-Komplikationen. Schon nach 1-wöchiger Therapie-Dauer konnte das erhöhte Risiko nachgewiesen werden. Dabei war die Risiko-Erhöhung bei Gabe von Meloxicam oder Celecoxib etwas geringer ausgeprägt. 

  • Kang DO et al. J Am Coll Cardiol. 2020 Aug 4;76(5):518-529. doi: 10.1016/j.jacc.2020.06.017.

Kommentar: Die mit NSAR behandelten Patienten könnten aufgrund von begleitenden Erkrankungen von vornherein ein höheres Risiko aufgewiesen haben, sodass nicht die Behandlung mit Schmerzmitteln allein für das höhere Risiko verantwortlich sein muss. Die Behandlung mit NSAR sollte bei Patienten nach Herzinfarkt möglichst vermieden werden. 


 

Wie das Mikrobiom der „Methusalems“ das Herz schützt 

 

Beim Abbau von Carnitin (reichlich in rotem Fleisch enthalten) entsteht durch die Einwirkung von  Darmbakterien (Darmflora oder Mikrobiom) Trimethylamin (TMA). Letzteres, bzw. das im weiteren Stoffwechsel entstehende Trimethylamin-Oxid (TMAO) wird mit einer Atherosklerose-fördernden  Wirkung und damit der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht. 

In einer aktuellen Untersuchung konnte jetzt nachgewiesen werden, dass bestimmte Darm-Bakterien (Eubacterium limosum) durch Enzyme (MtcB-Familie) Carnitin auf einem besonderen Weg verstoffwechseln (Demethylieren). Dadurch kann von anderen Bakterien nicht mehr so viel TMA produziert werden. Eubacterium limosum ermöglicht also einen gefahrloseren Stoffwechsel-Weg für den Abbau von Carnitin und könnte sich damit günstig auf das Risiko von Herz-Erkrankungen auswirken. Interessanterweise war schon vor etwa 10 Jahren berichtet worden, dass die Darmflora sich bei über 100-Jährigen ganz wesentlich von der der Jüngeren unterscheidet. Sie enthielt nämlich mehr als das 10-fache der Menge von….........… Eubacterium limosum !

  • Kountz DJ et al. Journal of Biological chemistry. First Published on June 22, 2020doi: 10.1074/jbc.RA120.012934jbc.RA120.012934.
  • Kingsland J, Medical News Today, 20.7.20

Kommentar: Die aktuellen Forschungs-Ergebnisse bieten eine plausible Erklärung für die schon früher beobachteten Besonderheiten des Mikrobioms von Personen, die ein sehr hohes Lebensalter erreicht haben. Inwieweit sich die Beobachtungen für die Verhinderung atherosklerotischer Erkrankungen nutzen lassen, bleibt abzuwarten. 


Rheuma erhöht Risiko für Herzinfarkt

 

Chronische Entzündungs-Prozesse können die Entstehung eines Herzinfarktes begünstigen. In einer großen dänischen Studie mit mehr als 125.000 Teilnehmern war  mittels Herzkatheter festgestellt worden, ob chronische Gefäß-Verkalkungen (Atherosklerose) der Herz-Kranz-Gefäße (KHK-Koronare Herzkrankheit) vorliegen. Bei einem Teil der Patienten lag zusätzlich eine Rheuma-Erkrankung (rheumatoide Arthritis) vor. Das Risiko, im Verlauf von 10 Jahren einen Herzinfarkt zu erleiden, wurde für 4 Gruppen von Patienten ermittelt:

  • Gesunde                       2,7%
  • Nur Rheuma                3,8%
  • Nur KHK                       9,9%
  • KHK und Rheuma     12,2%

Eine ähnliche Risiko-Erhöhung fand sich auch für die Sterblichkeit im Verlauf von 10 Jahren.

  • Logstrup BB et al.2020 May 29;annrheumdis-2020-217154. doi: 10.1136/annrheumdis-2020-217154. Online ahead of print.
  • Einecke D. MMW Fortschr Med.2020; 162 (12)

Kommentar: Das Vorliegen von Rheuma allein hat nur eine geringe Risiko-Erhöhung zur Folge. Bei gleichzeitigem Vorliegen von Rheuma und einer KHK besteht dagegen ein erhebliches Risiko. Es empfiehlt sich daher, bei Rheuma-Patienten sorgfältig auf das Vorliegen einer KHK zu achten, ggf. z.B. mittels Koronar-CT, um rechtzeitig präventive Maßnahmen einleiten zu können.  


 

„Selbstmord“ aus Angst vor Corona ?!

 

Aus den USA, Deutschland  und zahlreichen anderen Ländern wird berichtet, dass die Aufnahmen von Patienten mit Herzinfarkt oder Schlaganfall, Aortendissektionen und anderen lebensbedrohlichen Erkrankungen in den Krankenhäusern teilweise um mehr als 50% im Vergleich zu früheren Zeiträumen zurückgegangen sind. Es ist zu vermuten, dass Patienten aus Sorge vor einer möglichen Corona-Infektion die Krankenhäuser meiden.

  • Kirkner RM, Medscape Medical News, 22.5.20

Kommentar: Bei einem Herzinfarkt versterben auch heute noch etwa 40% der Patienten, in vielen Fällen bereits vor einer Krankenhaus-Aufnahme. In der Infarkt-Situation zählt daher jede Minute. Im Krankenhaus kann die verschlossene Herzarterie wiedereröffnet und die Durchblutung des Herzens wiederhergestellt werden. Geschieht dies nicht rechtzeitig, sind häufig Tod oder schwere Herzschäden mit lebenslanger Invalidität die Folge. Das Risiko einer möglichen Corona-Infektion  ist im Vergleich zum Risiko des Herzinfarktes vernachlässigbar gering. Ein Sterbe-Risiko von etwa 4% im Falle einer Corona-Infektion steht einem Risiko von 40% bei einem Herzinfarkt gegenüber. Tatsächlich ist der Unterschied noch viel größer, weil ja nur ein sehr kleiner Teil der Patienten sich im Rahmen der Behandlung überhaupt mit Corona infizieren würde. Die Situation erinnert an das oft bemühte Bild vom "Selbstmord aus Angst vor dem Tod“, in der aktuellen Situation "nur" aus Angst vor Corona. Die verständliche Sorge vor einer Corona-Infektion und die gut begründeten Schutzmaßnahmen sollten im rechten Verhältnis zu wesentlich größeren Bedrohungen gesehen werden. Bei V.a. ernste Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall sollten Patienten nicht zögern, umgehend professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen (Telefon 112). Das gilt fraglos auch bei anderen ernsten Erkrankungen und Beschwerden. Die Krankenhäuser sind für die Versorgung von Notfällen mit entsprechenden  Maßnahmen zum Schutz vor einer Corona-Infektion gut gerüstet.  


  

"Nüchtern" oder mit "vollem Magen" zum Herzkatheter ?

 

In der Regel sollen Patienten vor einer Herzkatheter-Untersuchung nüchtern bleiben. Dadurch soll verhindert werden, dass im Falle von auftretenden Problemen Mageninhalt erbrochen wird und dabei in die Atemwege gelangen kann. Die Folge einer solchen Aspiration ist dann nämlich oft eine schwer behandelbare Lungenentzündung. Wie vor den meisten Operationen ist es daher üblich, sechs Stunden vor dem geplanten Eingriff eine Nüchtern-Phase zu empfehlen, in der Patienten weder essen noch trinken sollten. In einer aktuellen Studie mit dem vielsagenden Titel „Chow Now – Nix or Allow“ wurde dieses Vorgehen nun auf den Prüfstand gestellt. In einer Klinik in der Nähe von New York wurden jeweils etwa 300 Patienten  zwei unterschiedlichen Strategien randomisiert (zufallsmäßig, wie beim Werfen einer Münze) zugeteilt. In der "Nix"-Gruppe sollten die Patienten ab Mitternacht vor dem Eingriff nicht mehr essen, das Trinken von klaren Flüssigkeiten war aber bis zwei Stunden vor dem Eingriff gestattet. In der "Allow"-Gruppe gab es keine Beschränkungen der Nahrungsaufnahme. Im Verlauf fanden die Ärzte keinen relevanten Unterschied der Komplikations-Raten zwischen den beiden Patienten-Gruppen.

  • Mishra A et al., SCAI 2020, abstract 11758
  • Brunk D. Cardiology News. 21.5.2020

Kommentar: Die Ergebnisse legen nahe, allzu rigide Beschränkungen der Nahrungs-Aufnahme vor geplanten Herzkatheter-Untersuchungen zu überdenken.  Während Übelkeit und Erbrechen, meist induziert durch die verwendeten Kontrastmittel,  in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts noch relativ häufig auftraten, sind diese Nebenwirkungen mit den heutigen, besser verträglichen, Kontrastmitteln kaum noch zu beobachten. Auch dem Risiko von Hypoglykämien (Unterzuckerungen) ließe sich durch moderate Nahrungs-Aufnahme entgegenwirken. Zumindest wäre zu erwägen, das Trinken klarer Flüssigkeiten liberaler zu handhaben. Denn nicht immer können die Untersuchungen planmäßig erfolgen; dann warten Patienten ggf. mehrere Stunden bis zur Untersuchung. Ein Flüssigkeitsmangel mit niedrigem Blutdruck und oft eingeschränkter Nierenfunktion kann sich dann eher nachteilig auswirken. 


 

Bei schwachem Herz Bypass-Op im Vorteil

 

Soll die Durchblutung bei verengten Herzkranz-Gefäßen (Koronare Herzkrankheit oder KHK)  verbessert werden, so besteht die Wahl zwischen der Katheter-Behandlung mit Stents (Gefäßstützen) oder einer Bypass-Operation. Für Patienten, die zusätzlich bereits unter einer deutlichen Herzschwäche leiden, meist infolge früherer Herzinfarkte, liegen nur wenige Informationen zur Auswahl des geeigneten Therapie-Verfahrens vor. Kanadische Forscher haben jetzt aus einer großen Anzahl von Patienten, die entweder mit Stents oder Bypass-Op behandelt worden waren und zusätzlich eine Herzschwäche (sog. Ejektions-Fraktion oder EF < 35%) aufwiesen, rückblickend die beiden Verfahren miteinander verglichen. Dafür wählten sie für jedes Verfahren eine Gruppe von etwa 2800 Patienten aus, wobei die beiden Gruppen sich in zahlreichen Merkmalen (Alter, Geschlecht u.a.) ähnlich waren. Es zeigte sich über einen Zeitraum von etwa 5 Jahren für Patienten nach Bypass OP eine deutliche geringere Rate an Todesfällen (23,3% gegenüber 30%) sowie insgesamt eine geringere Häufigkeit kardiovaskulärer Komplikationen. 

  •  Sun L.Y. et al. JAMA Cardiol. 2020, online 8. April; doi: 10.1001/jamacardio.2020.0239
  • Oberbeck P; Kardiologie.org, 15.4.2020 

Kommentar: Üblicherweise wird das  im individuellen Fall  am besten geeignete Therapieverfahren in einer gemeinsamen sog. "Heart-Team"-Besprechung ausgewählt. Dabei sind neben dem evtl. Vorliegen einer Herzschwäche zahlreiche andere Gesichtspunkte (z.B. Lungenfunktion des Patienten) zu berücksichtigen. Auch wenn die o.g. Ergebnisse nur auf einer retrospektiven Auswertung beruhen, empfiehlt sich die angemessene Berücksichtigung bei zukünftigen Entscheidungen.  


 

Auch während Corona-Pandemie gilt:

Bei Verdacht auf Herzinfarkt Notruf 112 wählen

 

Jährlich sterben nahezu 50.000 Patienten in Deutschland an einem Herzinfarkt, etwa jeder Dritte davon bereits vor Aufnahme in einer Klinik. Oft zögern die betroffenen Patienten aus unterschiedlichen Gründen zu lange, den lebensrettenden Notruf 112 zu wählen. „Dieses fatale Verzögerungs-Verhalten bei Notfallpatienten dürfte sich angesichts der Corona-Pandemie noch deutlich verstärken“, befürchtet Prof. Thomas Voigtländer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung.  „Beim Herzinfarkt zählt  jede Minute nach dem Prinzip: Zeit ist Herzmuskel." Aber auch andere Notfälle wie die akute Herzschwäche oder lebensbedrohende Herzrhythmusstörungen erlauben keinen Aufschub.  Notaufnahmen stehen unabhängig von der aktuellen Corona-Pandemie jederzeit für die Behandlung von Patienten mit Herzinfarkt oder anderen Notfällen zur Verfügung. "Eine Notfallversorgung für diese Patienten ist weiterhin gewährleistet", betont Voigtländer.

 

Quelle: 

Corona-Pandemie und Herznotfälle: Bei Herzinfarkt-Verdacht keine Scheu vor dem Notruf 112; Presse-Mitteilung der Deutschen Herzstiftung, 20.3.2020.

Coliquio-News, 3.4.2020

 

Kommentar:  Befürchtungen von betroffenen Patienten wegen der Corona-Pandemie sind in diesen Notfall-Situationen völlig unangemessen,  da die Bedrohungslage bei einem Herzinfarkt (Tod, bleibende Herzschwäche) um ein Vielfaches größer ist als evtl. mögliche Beeinträchtigungen durch Corona-Viren.

Weitere Informationen zum Thema Herznotfall finden Sie bei 

www.herzstiftung.de/herznotfall-verhalten.html 

 


 

Behandlung der KHK durch Entzündungs-Hemmung 

 

Gefäßverkalkungen, besonders die koronare Herzkrankheit (KHK),  werden ursächlich auf sog. Risikofaktoren wie hoher Blutdruck, Diabetes mellitus, Rauchen, in erster Linie aber erhöhte Cholesterin-Werte zurückgeführt.  Entsprechend ist die Behandlung dieser Risikofaktoren bei Patienten mit KHK etabliert. Seit längerem bestehen auch Hinweise darauf, dass Entzündungs-Prozesse eine Rolle bei der Entstehung  der Gefäß-Verkalkungen spielen. In der COLCOT-Studie wurde daher der Einsatz von Colchicin, einer Entzündungs-hemmenden Substanz,  getestet.  Colchicin hat sich  bei anderen entzündlichen Erkrankungen wie dem akuten Gichtanfall oder der Herzbeutel-Entzündung bereits bewährt.  Mehr als 4700 Patienten erhielten  innerhalb des ersten Monats nach einem Myokardinfarkt  entweder  0.5 mg Colchicin  tgl.  oder eine  Placebo-Tablette.  Es zeigte sich im Verlauf von fast 2 Jahren ein  um 34% geringeres relatives Risiko für kardiovaskuläre  Ereignisse ( insbesondere  Herzinfarkte, Schlaganfälle und erneute Gefäßeingriffe mit Krankenhaus-Behandlung)  bei Colchicin-Therapie.  Als Nebenwirkung waren etwas häufiger Fälle von Übelkeit und Lungen-Entzündungen unter Colchicin beobachtet worden.

Quelle :Tardif J-C, et al; Efficacy and Safety of Low-Dose Colchicine after Myocardial Infarction;       N Engl J Med 2019; doi: 10.1056/NEJMoa1912388 

 

Kommentar:  Bereits vor 2 Jahren war die günstige Wirkung einer anderen Entzündungs-hemmenden Substanz  (Canakinumab) bei Patienten mit KHK  nachgewiesen worden. Es liegt nun eine weitere Studie vor, die diesen neuen Therapie-Ansatz der Entzündungs-Hemmung bei KHK unterstützt.  Die günstigen Effekte dieser neuen Therapien wurden zusätzlich zu den schon etablierten Standard-Therapien erreicht. Die Ergebnisse markieren einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur klinischen  Routine-Behandlung.  Weitere Untersuchungen sind in Vorbereitung.


 

Stent oder medikamentöse Therapie bei chronischer KHK ?

 

Für Patienten mit sog. akutem Koronar-Syndrom (typischerweise akuter Herzinfarkt) hat sich die möglichst rasche Katheter-Behandlung als lebensrettend erwiesen. Die bei einem Infarkt akut verschlossene Koronararterie kann wieder eröffnet werden. Ein sog. Stent (Gefäßstütze ) hält die Arterie offen. So kann der sonst drohende Verlust großer Anteil des Herzmuskels oft noch abgewendet werden, sodass Langzeitfolgen wie Tod oder schwere Herzschwäche vermieden werden können. In der aktuell berichteten „Ischemia-Studie“ wurde jetzt die invasive Therapie  mit Stent-Implantation oder ggf. Bypass-Operation im Vergleich zu einer rein medikamentösen Therapie bei Patienten mit chronischem Koronar-Syndrom verglichen. Bei diesen Patienten treten Beschwerden nur bei besonderen Belastungen z.B. Treppensteigen auf und verschwinden in Ruhe wieder  (ähnlich wie bei der sog. Schaufenster-Krankheit der Beine). Nahezu 5200 Patienten wurden den beiden Behandlungsarmen zufallsmäßig zugeteilt (wie beim Werfen einer Münze) und über im Median 3.3. Jahre beobachtet. Es zeigte sich, dass die mit Stent behandelten Patienten im Verlauf weniger Beschwerden und eine bessere Lebens-Qualität hatten. Je deutlicher die Beschwerden der Patienten waren, umso mehr profitierten sie von der Stent-Behandlung. Im Hinblick auf das Risiko für Herzinfarkte und Todesfälle  bestand kein  wesentlicher Unterschied zwischen den  beiden Therapie-Strategien.

Quelle: Hochman J. AHA 2019

 

Kommentar: Besonders bei Patienten mit ausgeprägter Beschwerde-Symptomatik war die Verbesserung der Durchblutung der Kranzgefäße durch Stent-Implantation oder Bypass-Operation von Vorteil. Dagegen war bei Beschwerde-freien Patienten kein Vorteil im Vergleich zur rein medikamentösen  Therapie erkennbar. Anders als beim Infarkt ist bei chronischem Koronar-Syndrom in der Regel keine Eile geboten, sodass immer in einem vertrauensvollen Gespräch mit dem betreuenden Kardiologen sorgsam die Therapie-Konzepte mit möglichen Vor- und Nachteilen im individuellen Fall besprochen werden sollten.


 

Blutplättchen-Hemmung  hält Bypass-Gefäße offen

 

Im Rahmen einer Bypass-Operation werden Verengungen in den Herzkranzgefäßen durch andere Arterien oder Venen überbrückt (funktioniert im Prinzip wie Umgehungs-Straße).  Hierfür stehen Arterien  der eigenen Brustwand (Arteria thoracica interna, oder synonym  Arteria mammaria) zur Verfügung.  Falls weitere Bypass- Gefäße erforderlich sind,  werden meist Bein-Venen entnommen und als Bypass verwendet.

 

Haltbarkeit der Bypass-Gefäße

Leider können sich auch diese Bypass-Gefäße im Lauf der Zeit verschließen. Während dies bei den arteriellen Gefäßen der Brustwand nur selten der Fall ist, kommt es  bereits im Verlauf des ersten Jahres nach der Operation bei jedem 3. Venen-Bypass zu einem Verschluss.  Nach 10 Jahren sind etwa 2 Drittel verschlossen. Die Folge sind häufig notwendig  werdende Wiederholungs-Eingriffe (2. Bypass-Operation oder Stents) sowie ernste Komplikationen wie Todesfälle und Herzinfarkte.

 

Intensivere Hemmung der Blutplättchen

Um  Bypass-Verschlüssen möglichst vorzubeugen,  wurde bisher schon standardmäßig  ASS (Acetylsalicylsäure,  z.B. Aspirin®) verordnet.  Hierdurch werden Blutplättchen,  die eine wichtige Rolle im Rahmen der Blutgerinnung  spielen,  gehemmt.  Wegen der trotz   ASS-Behandlung   hohen Verschluss-Raten,  wurden zahlreiche andere Konzepte  zur Hemmung der Blutgerinnung untersucht.  In einer aktuellen zusammenfassenden Analyse (Netzwerk-Metaanalyse) bisheriger Studien mit über 4800 Patienten wurden 8  unter- schiedliche Therapie-Konzepte verglichen.  Dabei zeigte sich ein Vorteil für die sog. duale Anti-Plättchen-Therapie mit einer um etwa  40-50%  geringeren Verschluss-Rate  von Venenbrücken.  Bei dieser Therapie  erhalten Patienten neben ASS noch einen weiteren sog. Plättchen-Hemmer wie Clopidogrel oder Brilique®.  Wie zu erwarten, geht die  bessere Wirksamkeit der Zweifach-Kombination aber  mit einem erhöhten Risiko für Blutungs- Komplikationen einher. 

Quelle: Solo K. et al.:  Antithrombotic treatment after coronary artery bypass graft surgery: systematic review and network meta-analysis. BMJ 2019;367:l5476. http://dx.doi.org/10.1136/bmj.l5476

 

Kommentar:  Durch die intensivere Therapie mit einer Kombination von ASS  und einem weiteren Plättchen-Hemmer kann offensichtlich etwa die Hälfte der Bypass-Verschlüsse verhindert werden.  Zur definitiven Bestätigung  des Therapie-Konzeptes wäre aber  noch eine  randomisierte Studie wünschenswert. Zunächst sollte die medikamentöse Therapie  nach OP in  individueller Absprache mit dem Herzchirurgen und dem betreuenden Arzt (Hausarzt oder Kardiologe) festgelegt werden.  Dabei muss der zu erwartende Nutzen dem höheren Blutungs-Risiko gegenübergestellt werden.  Für Patienten mit einem a priori hohem Blutungs-Risiko  eignet sich die intensivere Therapie nicht. Eine offene Frage stellt  auch die Dauer der intensivierten Therapie mit 2 Plättchen-Hemmern  dar. Da das Risiko für einen Bypass-Verschluss im ersten Jahr nach OP am höchsten ist,  könnte dies ein geeigneter Zeitraum sein.  Auch hat sich diese 2-fach-Therapie  bereits routinemäßig für 12 Monate bei den Patienten bewährt, bei denen die Bypass-Operation in der Frühphase nach einem Herzinfarkt durchgeführt wurde.


 

"Stein-Zertrümmerung"  in Koronar-Arterien

 

Nicht selten sind Arterien, auch die Arterien des Herzens (Herzkranz-Arterien oder Koronar-Arterien) sehr stark verkalkt. Verengungen (Stenosen) können dann mit einem sog. Ballon-Katheter nicht aufgedehnt werden, obwohl dabei Drücke bis ca. 30 bar verwendet werden (zum Vergleich: Autoreifen etwa 2 bar). Daher wird nach Methoden gesucht, auch in diesen Fällen eine Behandlung mittels Katheter-Techniken zu ermöglichen.  Bisher konnte  mit einem Gefäßbohrer (Rotablator)ein Kanal aufgebohrt und Kalk abgetragen werden. Jetzt steht eine neue Methode in der klinischen Erprobung. Hier macht man sich das Prinzip von Ultraschallwellen zunutze,  ähnlich wie bei der Zertrümmerung von Nierensteinen (Lithotripsie). Ein spezieller Ballon-Katheter wird über das Gefäß-System in den stark verkalkten Bereich der jeweiligen Koronar-Arterie vorgeführt. Über den Ballon-Katheter werden intermittierende Schallwellen, die über einen externen Generator erzeugt werden, auf die Gefäßwand übertragen und können so Calcium zertrümmern. In einer aktuellen  Untersuchung mit 120 Patienten konnte nachgewiesen werden, dass mit Hilfe der sog.   "intrakoronaren Lithotripsie“ die Verkalkungen aufgebrochen werden können.  Die Methode ist einfach anzuwenden und offensichtlich nebenwirkungsarm.  Wie beim Verbundsicherheitsglas der Windschutzscheibe entstehen durch die Brüche keine einzelnen Absplitterungen.

Ali ZA et al. Circ Cardiovasc Interv 2019 Oct;12(10):e008434. doi: 10.1161/CIRCINTERVENTIONS.119.008434. Epub 2019 Sep 25.

 

Kommentar: Die Behandlung von sehr stark verkalkten Einengungen war bisher mit einem erhöhten Risiko für akute Komplikationen und auch schlechtere Langzeit-Ergebnisse verbunden. Die intrakoronare Lithotripsie könnte  für diese  schwer zu behandelnden Fälle eine sinnvolle Ergänzung im Therapie-Spektrum darstellen.


 

Stent  oder  Bypass ?  Ergebnisse nach 10 Jahren

 

Für die Therapie von  Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit (KHK) stehen Medikamente, die Stent-Implantation oder die koronare Bypass-Operation zur Auswahl. Falls eine medikamentöse Therapie nicht ausreicht,  muss die Wahl zwischen einer Stent-Implantation (mit Hilfe eines  Herzkatheters) oder einer Bypass-Op. getroffen werden. Wenn bei Patienten Einengungen in allen 3 Kranzgefäßen (Koronare 3-Gefäß-Erkrankung)vorliegen, wird in der Regel die Bypass-Op. favorisiert. In der sog. "SYNTAX"-Studie wurden 1800 Patienten randomisiert (zufallsmäßig, wie beim Werfen einer Münze) entweder mit Stents behandelt oder einer Bypass-Op. zugeführt.  Es liegen jetzt erstmals Langzeit-Ergebnisse über 10 Jahre zum Vergleich der beiden Therapie-Formen vor. Die Gesamt-Sterblichkeit im Verlauf von 10 Jahren betrug nach Stent-Implantation 28%  und nach Bypass-Op. nur 21%.  Es zeigt sich also ein deutlicher Vorteil für die Bypass-Op.  bei Patienten mit  koronarer 3-Gefäß-Erkrankung.  Für eine andere Gruppe von Risiko-Patienten mit sog. Hauptstamm-Stenose hatte sich kein wesentlicher Unterschied zwischen den Therapie-Alternativen gezeigt.

Quelle: Lancet 2019 Sep 2. pii: S0140-6736(19)31997-X. doi: 10.1016/S0140-6736(19)31997-X. (Epub ahead of print)

 

Kommentar: Die Langzeit-Ergebnisse bestätigen die auch von Leitlinien empfohlene Bypass-Op. als Therapie der ersten Wahl für Patienten mit 3-Gefäß- KHK. Allerdings gehen viele Parameter in die Entscheidungs-Findung ein. Insbesondere ist eine genaue Analyse der Komplexität der Einengungen erforderlich.  Bei geringer Komplexität kann nach Leitlinien auch eine Stent-Implantation erwogen werden.  Auch ist zu bedenken, dass  heute wesentlich bessere Stents zur Verfügung stehen.  Sinnvollerweise sollte aber das Vorgehen im Einzelfall  immer gemeinsam im  sog. "Heart-Team" besprochen werden. 


 

Erstmals rasch wirksames Gegenmittel für sog. Plättchen-Hemmer 

 

Blutplättchen, auch Thrombocyten genannt, spielen eine wichtige Rolle bei der Bildung von Blutgerinnseln und damit der Blutstillung. Patienten mit Gefäß-Verkalkungen (Athero- sklerose) werden häufig mit Medikamenten behandelt, die die Wirkung der Blutplättchen hemmen, um die Entstehung von Blutgerinnseln zu verhindern. Durch diese Hemmstoffe der Blutplättchen (Plättchen-Hemmer)  wie Acetylsalicylsäure (z.B. ASS, Aspirin® ), Clopidogrel, Plavix®, Iscover®,  Brilique® und Efient®,  kann es aber als Nebenwirkung zu Blutungs-Komplikationen kommen. Bisher war kein rasch wirksames Gegenmittel für diese Substanzen verfügbar. Bei Blutungen musste in der Regel der allmähliche Wirkungsverlust über 3-7 Tage abgewartet werden. Allenfalls konnte im Notfall die Wirkung der Medika- mente durch eine Transfusion von frischen Blutplättchen (Thrombozyten- Konzentrat)  aufgehoben  werden. Für Brilique®  konnte jetzt erstmals ein rasch wirksames (innerhalb 5  Minuten) Gegenmittel in Form eines Antikörpers erfolgreich getestet werden.                         Quelle: Bhatt DL et al. N Engl J Med; 380:1825-1833

                                                                                                                                                                    Kommentar: Damit könnte in naher Zukunft erstmals ein rasch wirksames Gegenmittel zumindest für Patienten, die mit dem Plättchen-Hemmer Brilique®  behandelt werden, für die klinische Anwendung zur Verfügung stehen. Bedrohliche Blutungen, z.B. nach Unfällen, könnten so rasch gestoppt werden. Auch könnte die Wirkung von Brilique®  vor dringend erforderlichen Operationen rasch aufgehoben werden, um das Blutungsrisiko während der Operation zu verringern. 


 

ASS allein oder in Kombination mit niedrig-dosiertem Xarelto®  bei KHK:

Aktuelle Leitlinien-Empfehlung

 

Bei Patienten mit stabiler Atherosklerose (chronische Gefäß-Verkalkung),  z.B. im Bereich der Herzkranz-Arterien (Koronare Herzkrankheit bzw. KHK) oder im Bereich der  Bein-Arterien (periphere arterielle Verschluss-Krankheit bzw. pAVK) wird meist eine Behandlung mit ASS (Acetylsalicylsäure) empfohlen. Dadurch sollen gefährliche Gerinnsel-Bildungen in den Arterien mit der Folge eines Herzinfarktes oder Schlaganfalls verhindert werden.

 

Kombination als neues Therapie-Konzept

In der COMPASS-Studie war bei Patienten mit stabiler Atherosklerose untersucht worden, ob die zusätzliche Behandlung mit einem weiteren Medikament, das die Blutgerinnung hemmt,  von Vorteil ist.  Es zeigte sich, dass bei zusätzlicher Behandlung mit Xarelto® in niedriger Dosierung (2 mal 2,5 mg täglich) im Vergleich zur alleinigen Therapie mit ASS  weniger Todesfälle, Schlaganfälle, Herzinfarkte und Amputationen auftraten. Allerdings wurden bei den intensiver behandelten Patienten ( 2 Medikamente) auch deutlich häufiger schwere Blutungs-Komplikationen beobachtet.

 

Neue Leitlinien-Empfehlungen für Kombination 

Es stellte sich für die Praxis nun die Frage, bei welchen Patienten  diese Kombination zum Einsatz kommen soll.  Nach einer aktuellen Leitlinie soll dieses neue Therapie-Konzept zunächst bei  Patienten  mit besonders  ausgeprägten Gefäß-Veränderungen erwogen werden. Die aktuellen Leitlinien charakterisieren die Bedingungen wie folgt: Es sollte eine fortgeschrittene koronare Herzkrankheit vorliegen (diffuse Mehrgefäß-Erkrankung) sowie zusätzlich entweder eine pAVK, ein Diabetes mellitus, eine  Nieren-Funktionsschwäche,  wiederholte frühere Herzinfarkte oder ggf. auch eine Herzschwäche. Gleichzeitig darf bei diesen  Patienten kein erhöhtes Blutungs-Risiko bestehen. 

Quelle: ESC Guidelines for the diagnosis and management of chronic coronary syndromes. European Heart Journal (2019) 00, 171ESC GUIDELINESdoi:10.1093/eurheartj/ehz425 

 

Kommentar: Die Behandlung mit Medikamenten, die die Blutgerinnung beeinflussen, erfordert immer das sorgfältige individuelle Abwägen von möglichem Nutzen (Vermeidung von Herzinfarkt oder Schlaganfall) gegenüber  den möglichen Risiken (Blutungen). Die von den Leitlinien gegebene Empfehlung erlaubt die Fokussierung auf eine Patienten-Gruppe, bei der ein besonders günstiges Nutzen / Risiko-Verhältnis für die Kombinations-Therapie zu erwarten ist. 


 

Vorteil von  "beschichteten Stents" bestätigt

 

Im Langzeitverlauf über Monate nach Implantation eines Stents (metallische Gefäß-Stütze) wurde oft  ein überschießendes Gewebe-Wachstum innerhalb des Stents beobachtet, was langfristig zu einer erneuten Einengung im Stent-Bereich führte.  Deswegen wurden  sog.  Medikamenten-beschichtete Stents ("drug eluting stent" oder DES) entwickelt.  Die Medikamenten-Beschichtung hemmt dieses Gewebe-Wachstum. Bei der ersten Generation dieser DES waren gelegentlich noch späte Komplikationen, mehr als 1 Jahr nach Stent-Implantation, aufgetreten, sodass dieser Stent-Typ weiter optimiert wurde. In einer aktuellen Analyse wurden nun die Ergebnisse von DES der  neueren Generation mit den Daten aus früheren Studien verglichen, in denen noch unbeschichtete Stents  verwendet worden waren. In einer sogenannte Metaanalyse  wurden die Daten von über 26600 Patienten aus 20 randomisierten Studien ausgewertet. Bei Patienten mit  Medikamenten-beschichteten Stents war im Verlauf des ersten Jahres die Herzinfarktrate deutlich geringer, ebenso das Risiko für sogenannte Stent-Thrombosen und erneute Eingriffe an den Kranzgefäßen. Im weiteren Verlauf waren bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 3,2 Jahren  die Komplikationsraten für beide Stents  vergleichbar. Der im ersten Jahr  erzielte Vorteil der DES blieb im Verlauf aber konstant erhalten.

Quelle: Piccolo R. et al. Lancet. 2019 Jun 22;393(10190):2503-2510.

 

Kommentar: Das insgesamt bessere Ergebnis  mit modernen DES wurde auch im Langzeit-Verlauf nicht abgeschwächt.  Die Analyse bestätigt die in der klinischen Routine  bereits bestehende Bevorzugung von DES der neueren Generation als Therapie-Standard.


 

Herzinfarkt: Möglicher Einfluss von Klima-Veränderungen

 

Dass bei extremen Temperaturen, sowohl Kälte als auch Hitze, häufiger Herzinfarkte auf-treten, war bekannt. Münchener Forscher haben anhand des Augsburger Herzinfarkt-Registers untersucht, ob im Zeitverlauf von 1987 bis 2014 ein Zusammenhang zwischen Klima-Veränderungen und der Häufigkeit von Herzinfarkten bestand. Insgesamt waren mehr als 27000 Fälle von Herzinfarkt und Tod durch Koronare Herzkrankheit in diesem Zeitraum erfasst worden. Tatsächlich konnten die Forscher seit 2001 eine Zunahme von Herzinfarkten in Hitze-Perioden im Vergleich zu früheren Jahren feststellen. Zumindest teilweise war dies auf eine im Mittel höhere Temperatur im Zeitraum seit 2001 zurück-zuführen.

Quelle: Chen K et al. EHJ 2019; 40 (20):1600-1608

 

Kommentar: Der Klima-Wandel könnte sich demnach auch auf die Entstehung von Herzinfarkten auswirken. Ursächlich könnte Flüssigkeits-Mangel in Hitze-Perioden die Entwicklung von Herzinfarkten (durch "Blut-Verdickung") begünstigen. Insbesondere bei den besonders gefährdeten älteren Menschen sollte daher auf eine ausreichende Flüssigkeits-Zufuhr bei heißer Witterung geachtet werden.