Gerinnungs-Hemmer  /  Plättchen-Hemmer


 

Reicht ASS nach Bypass-OP?

 

Bei einer koronaren Bypass-Operation werden entweder körpereigene Arterien oder Venen (letztere meist aus den Beinen) verwendet, um verengte Koronar-Arterien wieder besser zu durchbluten. Dabei umgeht der Bypass wie eine Umgehungs-Straße die Engstelle im Koronargefäß. Leider besteht besonders in den ersten Wochen und Monaten nach einer Operation das Risiko eines Verschlusses der Bypass-Gefäße. Meist betrifft es die Venen-Segmente auf dem Boden von Gerinnsel-Bildungen. Diese können trotz der üblichen Dauertherapie mit Acetylsalicylsäure (ASS, Aspirin®) auftreten. 

In einigen Untersuchungen wurde daher eine intensivere Behandlung getestet. Die Patienten erhielten zur Verhinderung von Gerinnsel-Bildungen zusätzlich zu ASS ein zweites bewährtes Medikament (Ticagrelor, Brilique®) für die Dauer eines Jahres, um das "Verkleben" von Blutplättchen zu verhindern. Dieses Konzept ist als duale Antiplättchen-Therapie oder auch DAPT bekannt. Aktuell wurden die Ergebnisse von 4 Studien mit rund 870 Patienten zusammenfassend ausgewertet. Die Patienten hatten randomisiert (zufallsmäßige Zuteilung zu den Therapiegruppen, wie beim Werfen einer Münze) entweder ASS allein oder die Kombination von ASS mit Ticagrelor erhalten. In der Tat konnte mit der dualen Therapie die Zahl der venösen Bypass-Verschlüsse um fast 50% vermindert werden (11,2 gegenüber 20.0%). Dagegen waren Blutungs-Komplikationen mit 22,1 gegenüber 8,7% häufiger bei der dualen Therapie. Allerdings waren schwerwiegende Blutungs-Komplikationen mit 1,8% insgesamt selten und nicht unterschiedlich in den beiden Gruppen. 

  • Sandner S. JAMA. 2022;328(6):554-562. doi:10.1001/jama.2022.11966 

Kommentar: Um das Verhältnis von möglichem Nutzen oder Schaden weiter zu verbessern, könnte in Zukunft die duale Therapie (DAPT) auf einen Zeitraum von wenigen Monaten begrenzt werden. Da die meisten Verschlüsse sich früh nach der Operation ereignen, würde das erhöhte Blutungsrisiko in den übrigen Monaten vermieden. Auch könnten von vornherein nur solche Patienten ausgewählt werden, bei denen mutmaßlich kein hohes Risiko für Blutungen besteht. Letztlich ist eine individuelle Entscheidung in Absprache  mit dem behandelnden Herzchirurgen erforderlich.  


 

Durchbruch: Gen-Therapie für "Bluter"

 

Bei den meist männlichen Patienten mit einer sog. Hämophilie A (Bluter-Krankheit) kann der Gerinnungs-Faktor VIII nicht in ausreichender Menge gebildet werden. In der Folge leiden die Patienten unter häufig auftretenden Blutungen, oft schon bei geringfügigen Verletzungen oder sogar spontan. Zur Blutstillung müssen dann rasch entsprechende Gerinnungs-Faktoren infundiert werden.   

In einer aktuellen Studie wurden 134 Patienten mit schwerer Ausprägung einer Hämophilie A mit einer Gen-Therapie behandelt. Durch eine einmalige Infusion von "Valoctocogene Roxaparvovec"  konnte die körpereigene Produktion des Gerinnungs-Faktor VIII wieder um ein Vielfaches gesteigert werden. Im Verlauf eines Jahres hatten Blutungs-Komplikationen um 84% abgenommen und der Bedarf für die Behandlung mit herkömmlichen Faktoren-Konzentraten war um 99% gesunken. 

Als Nebenwirkungen wurden lediglich erhöhte Leberwerte, Übelkeit oder Kopfschmerzen berichtet. Bei keinem Patienten war im Jahres-Verlauf eine Thrombose aufgetreten. 

  • Ozelo M. N Engl J Med. 2022 Mar 17;386(11):1013-1025. doi: 10.1056/NEJMoa2113708.

Kommentar: Die Therapie hat offensichtlich das Potential, bei betroffenen Patienten das Risiko von Blutungen weitgehend zu verhindern und die Lebens-Qualität erheblich zu verbessern. Weitere Langzeit-Beobachtungen sind erforderlich, um die Dauer der therapeutischen Wirkung besser abzuschätzen. 


 

Blutung als Chance

 

Blutungen gelten als typische Komplikationen bei der Therapie mit Gerinnungs-Hemmern. Nicht selten können sie aber auf eine noch nicht erkannte Tumor-Erkrankung aufmerksam machen. Von rund 125.000 Patienten, die wegen Vorhofflimmern eine Therapie mit Gerinnungs-Hemmern begannen, kam es in ca. 2500 Fällen im Verlauf von 3 Jahren zu einer Darmblutung. Je nach Altersgruppe wurde in der Folge bei 3,7 bis 8,1% dieser Patienten ein Darmtumor diagnostiziert.

  • Rasmussen P. European Heart Journal, Volume 43, Issue 7, 14 February 2022, Pages e38–e44, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehz964. Published: 07 February 2020 

Kommentar: Das Auftreten einer Blutung gilt als ernste Komplikation der Behandlung mit Gerinnungs-Hemmern und bedarf einer raschen Klärung, insbesondere, um eine Blutstillung herbeizuführen. Nicht selten führt das unerwünschte Ereignis aber auf die Spur eines bisher unbekannten Tumors und kann so zur Frühdiagnose beitragen. Häufig treten die Blutungen im Magen-Darm-Bereich oder in den Harnwegen auf. Es muss dabei nicht immer eine Rotfärbung vorliegen. So kann sog. "Teerstuhl" (schwarzer, klebriger Stuhl ) ein möglicher Hinweis auf eine  Magenblutung sein. Chronische Sicker-Blutungen sind nicht immer mit bloßem Auge erkennbar und können sich nur durch ungewohnte Leistungsschwäche, Müdigkeit oder Kurzatmigkeit bemerkbar machen. Mit modernen Test-Verfahren können auch kleinste Blut-Beimengungen schon früh in einer Stuhlprobe oder Urin-Probe festgestellt werden.  


 

Hirnleistung unter Gerinnungs-Hemmern

 

Patienten mit Vorhofflimmern werden in der Regel zur Verhinderung von Schlaganfällen mit Gerinnungs-Hemmern (Antikoagulantien) behandelt. Hierfür können sog. Vitamin-K-Antagonisten wie z.B. Marcumar oder sog. direkte orale Antikoagulantien (DOAK) eingesetzt werden. In den letzten Jahren  haben sich zunehmend die direkten Antikoagulantien (Pradaxa, Xarelto, Eliquis oder Lixiana) durchgesetzt. In einer rückblickenden Analyse wurden in UK mehr als 20.000 Patienten mit VKA-Therapie und ca. 18.000 Patienten mit Einnahme von DOAKs im Hinblick auf die kognitive Leistungsfähigkeit im Langzeit-Verlauf verglichen. Es fand sich bei Behandlung  mit direkten Antikoagulantien ein 16% geringeres Risiko für die Entwicklung einer Demenz  und ein 26% geringeres Risiko für leichtere Beeinträchtigungen der Hirnleitung.

  • Cadogan SL.http://dx.doi.org/10.1136/heartjnl-2021-319672

Kommentar: In früheren Untersuchungen hatten sich die direkten Antikoagulantien überwiegend durch geringere Schlaganfall-Raten und geringere Blutungsrisiken ausgezeichnet. Die hier gezeigten Vorteile könnten also auf einer geringeren Rate auch klinisch stummer, kleinerer Schlaganfälle zurückzuführen sein. Allerdings handelt es sich nicht um eine randomisierte Studie, sodass die Ergebnisse unter Vorbehalt zu betrachten sind. 


  

Therapie-Deeskalation nach Herzinfarkt

 

Bei Patienten nach Herzinfarkt und/oder Stent-Implantation wird meist für einen Zeitraum von 6-12 Monaten eine intensivere Hemmung der Blutplättchen (Thrombozyten) durchgeführt, um Gerinnsel-Bildungen in den Koronararterien zu vermeiden.

 

DAPT als Therapie-Standard

Neben der bekannten Acetylsalicylsäure (ASS, Aspirin®) wird ein weiteres Medikament wie Clopidogrel (Plavix®), Prasugrel (Efient®) oder Ticagrelor (Brilique®) eingesetzt. Die kombinierte Therapie wird als DAPT (duale Antiplättchen-Therapie bezeichnet). Als Kehrseite der Medaille ist unter der intensiveren Therapie mit einem erhöhten Risiko von Blutungen (z.B. Magen-Darm-Blutungen) zu rechnen.

 

Deeskalation der Therapie

In letzter Zeit setzen sich zunehmend Strategien der sog. Therapie-Deeskalation durch. Dabei wird in der frühen Phase nach Infarkt oder Stent wegen des dann sehr hohen Risikos der Gerinnselbildung eine intensive DAPT durchgeführt. Mit zunehmendem zeitlichem Abstand vom Infarkt nimmt das Risiko der Gerinnselbildung aber ab. Dagegen bleibt das Risiko von Blutungen als Nebenwirkung im Verlauf nahezu unverändert. Es scheint also vernünftig, nach einer gewissen Weile die Therapie-Intensität zu reduzieren.

 

Günstiges Nutzen/Risiko-Verhältnis

Diese Deeskalations-Strategien wurden jetzt bei mehr als 55.000 Patienten analysiert. Tatsächlich konnte so eine Abnahme von Blutungs-Komplikationen erreicht werden, ohne dass es zu einer Zunahme von Gerinnselbildungen in den Kranzgefäßen kam.

  • Shoji S. J Am Coll Cardiol. Jul 15, 2021. Epublished DOI: 10.1016/j.jacc.2021.06.012 

Kommentar: Zur Deeskalation der Therapie bieten sich verschiedene Optionen an, wie die hier untersuchte Dosis-Reduktion von Prasugrel 10 auf 5 mg oder generell die Umstellung von dem stärker wirksamen Prasugrel auf Clopidogrel. Daneben werden andere Konzepte untersucht, immer mit dem Ziel, ein möglichst optimales Verhältnis von Nutzen und Risiken einer Therapie zu erreichen. Bei der Entscheidung sind immer die individuellen Besonderheiten eines Patienten zu berücksichtigen, um Gefährdungen zu vermeiden. In anderen Bereichen der Medizin wie z.B. bei längerfristigen Antibiotika-Therapien oder der Behandlung von Venenthrombosen mit Gerinnungs-Hemmern sind solche Strategien der Therapie-Deeskalation seit längerem etabliert. 


 

ASS bei Lungenentzündung

 

Bei Infektions-Erkrankungen wie z.B. Grippe oder Lungenentzündung sind Patienten auch durch ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle bedroht. Forscher der Universität Bristol (UK) haben aktuell den Krankheits-Verlauf von nahezu 20.000 Patienten mit Lungenentzündung untersucht. Dazu wählten sie in der Hälfte der Fälle Patienten aus, die ASS (Acetylsalicylsäure, z.B. Aspirin®) einnahmen. Die andere Hälfte von vergleichbaren Patienten war nicht mit ASS behandelt. Es zeigte sich, dass Patienten mit ASS-Therapie 54% weniger Herzinfarkte und 30% weniger Schlaganfälle erlitten hatten.

  • Hamilton F. Eur Respir J. 2021 Feb 11;57(2):2002795. doi: 10.1183/13993003.02795-2020. 

Kommentar: Es ist bekannt, dass Entzündungs-Prozesse auch zu Veränderungen der Gefäße und damit zu Gefäß-Komplikationen führen können. Die hier beschriebenen protektiven Effekte von ASS könnten ein neues Therapie-Konzept für Patienten mit Lungenentzündungen oder anderen schwerwiegenden Entzündungs-Erkrankungen begründen. Allerdings sollte dies in einer prospektiv-randomisierten klinischen Studie überprüft werden. 


 

ASS wirkt nicht gegen COVID-19

 

Patienten mit Corona-Infektionen leiden oft an Gerinnsel-Bildungen in unterschiedlichen Organen. Dadurch kommt es zu Venen-Thrombosen, Lungen-Embolien, Schlaganfällen und anderen Folgen. Es lag daher die Vermutung nahe, dass mit Acetylsalicylsäure (ASS) ein günstiger Einfluss zu erreichen sei. Erste Mitteilungen deuteten in diese Richtung (siehe den HERZ-NEWS-Beitrag weiter unten: Hilft ASS auch bei Corona-Infektion?). Aktuell wurde die Frage in einer großen Studie mit nahezu 15.000 Patienten untersucht, die wegen einer Corona-Infektion stationär behandelt wurden. Die Patienten erhielten randomisiert (zufallsmäßige Entscheidung, wie beim Werfen einer Münze) entweder 150 mg ASS täglich oder kein ASS. Nach einem Monat waren 17% der Teilnehmer in beiden Gruppen verstorben. 

  • Horby P et al. medRxiv 2021; DOI: https://doi.org/10.1101/2021.06.08.21258132
  • Schlimpert V. Kardiologie.org, 9.6.2021 

Kommentar: Zumindest bei Patienten, die stationär behandelt werden mussten, hatte eine zusätzliche ASS-Therapie keinen Nutzen. Es ist aber nicht auszuschließen, dass bei diesen Patienten die Erkrankung schon zu weit fortgeschritten war. Bei leichteren Verläufen der Erkrankung oder in frühen Stadien könnte dennoch ein Effekt nachweisbar sein. Dies wird in weiteren Untersuchungen geprüft. Beim gegenwärtigen Stand kann die Einnahme von ASS  wegen einer Corona-Infektion nicht empfohlen werden. Natürlich sollte eine ASS-Therapie, die schon aus anderen Gründen (z.B. nach Herzinfarkt) besteht, auf jeden Fall fortgeführt werden. 


 

Gerinnungs-Hemmer bei COVID-19 ?

 

Zu den wesentlichen Komplikationen der SARS-CoV-2-Infektion zählen Gerinnsel-Bildungen in verschiedenen Organen. Es wird über Venenthrombosen, Lungenembolien aber auch Herzinfarkte und Schlaganfälle berichtet. Aktuell wurden 615 Patienten, die wegen COVID-19 stationär behandelt werden mussten, vorsorglich mit Gerinnungs-Hemmern behandelt. Dabei erhielt eine Gruppe nur eine sog. Prophylaxe-Dosis (so wie bei bettlägerigen Patienten im Krankenhaus auch sonst üblich). Eine andere Gruppe erhielt eine volle Dosis, wie sie z.B. zur Behandlung einer schon bestehenden Thrombose verwendet wird. Es ergab sich kein Vorteil bei Verwendung der höheren Dosis. 

  • Lopes R, ACC-Jahrestagung, 16. Mai 2021e
  • Schlimpert V, Kardiologie.org, 19.5.2021

Kommentar: Die auch sonst übliche Gabe eines Gerinnungs-Hemmers zur Thrombose-Vorbeugung bei bettlägerigen Krankenhaus-Patienten ist auch bei Corona-Patienten ausreichend. 


 

ASS 100, wie bisher

 

Acetylsalicylsäure (ASS), bekannt auch unter dem Handelsnamen Aspirin®, erhalten Patienten nach Herzinfarkt oder Schlaganfall, um weiteren kardiovaskulären Komplikationen vorzubeugen. Während sich in Europa seit längerem eine niedrige Dosierung von 100mg als Standard durchgesetzt hat, wird in den USA wahlweise auch eine höhere Dosierung von 325 mg eingesetzt. In einer aktuellen Studie mit mehr als 15.000 Patienten wurde über rund 2 Jahre eine niedrige Dosis (in den USA 81mg) mit der höheren Dosis von 325 mg verglichen. Es zeigte sich kein relevanter Unterschied, weder bei den kardiovaskulären Komplikationen noch dem Risiko für Blutungen. 

  • Schuyler J. ACC Jahrestagung des American College of Cardiology, 15.05.2021
  • Schuyler J et al. N Engl J Med. 2021; DOI: 10.1056/NEJMoa2102137
  • Schlimpert V. Kardiologie.org 15.5.2021

Kommentar: Es bleibt also bei der bewährten ASS-Dosis von 100 mg täglich.


 

Welche Therapie nach TAVI?

 

Nach einer sog. Trans-Katheter-Implantation der Aortenklappe (TAVI) ist eine anti-thrombotische Therapie erforderlich, um die Bildung von Blutgerinnseln an der Klappe zu verhindern. Wegen einer bisher uneinheitlichen Vorgehensweise wurde jetzt ein Konsensus-Papier der europäischen Herzgesellschaft erstellt.

Normalerweise reicht nach TAVI die alleinige Therapie mit ASS (Acetylsalicylsäure). Wenn aber  eine Indikation für Gerinnungshemmer (Marcumar oder direkte orale Antikoagulantien, DOAK) besteht, dann erfogt diese Therapie, anstelle von ASS.

Wenn in den Monaten zuvor ein koronarer Stent implantiert wurde, dann sollen alle Patienten über einen begrenzen Zeitraum von 1-6 Monaten zusätzlich einen Plättchenhemmer (z.B. ASS oder Clopidogrel) erhalten.

  • Ten Berg J et al. European Heart Journal, ehab196, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehab196 

Kommentar: Mit diesem Experten-Konsens wird Unsicherheiten in der wichtigen Nachsorge-Therapie nach TAVI begegnet. Erfahrungsgemäß sind Empfehlungen zur antithrombotischen Therapie einem raschen Wandel unterworfen. 


 

Xarelto® auch für Kinder und Jugendliche 

 

Bei Venen-Thrombosen oder Lungenembolien werden in der Regel Medikamente eingesetzt, die die Blutgerinnung herabsetzen. Lange Zeit galt die subkutane (unter die Haut) Injektion von Heparinen oder die Behandlung mit Medikamenten wie Marcumar® als Therapie-Standard. Letzteres muss engmaschig durch Blut-Entnahmen kontrolliert werden. Auch sind vielfältige Wechselwirkungen mit Nahrungsmitteln zu berücksichtigen. Die Einführung der sog. direkten oralen Antikoagulantien wie Rivaroxaban (Xarelto®) hat die Therapie erheblich vereinfacht. Für die einmal-tägliche Tabletten-Einnahme sind keine regelmäßigen Blut-Kontrollen erforderlich, auch die Ernährung ist unproblematisch. Allerdings galt in Ermangelung entsprechender Daten wie bei vergleichbaren Medikamenten bisher erst eine Zulassung ab dem 18. Lebensjahr. Diese Lücke konnte nun mit einer Studie (Einstein Junior) geschlossen werden. Ab sofort gilt eine Zulassung der europäischen Arzneimittel-Behörde (EMA) von Xarelto® zur Behandlung von Thrombosen und zur Vorbeugung von Rezidiven auch bei Kindern und Jugendlichen, von der Geburt bis zum 18. Lebensjahr. Damit kann diese Therapie jetzt allen Altersgruppen angeboten werden. Die Dosis orientiert sich bei einem Körpergewicht unter 30 kg streng am Körpergewicht (siehe Fachinformation). Hier wird eine eigene Darreichungsform als Suspension verwendet. Diese wird mit einem Granulat (1mg/ml) hergestellt. Bei einem Körpergewicht zwischen 30-50 kg beträgt die tägliche Dosis 15mg und ab einem Körpergewicht von 50 kg 20mg täglich. In diesen Fällen kann auch die bisher übliche Einnahme in Tablettenform erfolgen. 

  • Coliquio 2.4.2021

Kommentar: Aufgrund der vielfältigen und besonderen Probleme bei der Durchführung klinischer Studien im Kindes- und Jugendalter mangelt es häufig an verlässlichen Daten zu Wirkung und Nebenwirkung von Medikamenten in diesen Altersgruppen. Dies führt dazu, dass Fortschritte in der Arzneimittel-Therapie diesen Patienten oft nicht zugutekommen. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass mit der vorliegenden Studie nun auch die Jüngeren nicht auf eine fortschrittliche Therapie mit Gerinnungs-Hemmern verzichten müssen. 


 

Hilft ASS auch bei Corona-Infektion?

 

Zahlreiche Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen nehmen dauerhaft Acetylsalicylsäure (ASS, Aspirin®) ein, um einer Bildung von Blutgerinnseln im Gefäßsystem vorzubeugen. Auch bei einer Corona-Infektion droht eine verstärkte Neigung zur Bildung von Blutgerinnseln. Dies führt bei betroffenen Patienten häufig zu Thrombosen, Lungenembolien, Lungenversagen aber auch Herzinfarkt und Schlaganfall. 

In einer aktuellen Studie wurde in den USA bei 412 Patienten mit Corona-Infektion der Verlauf im Krankenhaus beobachtet. Rund 25% der Patienten standen bereits vor oder am Aufnahmetag unter einer ASS-Medikation. Diese Patienten hatten im Vergleich zu Patienten ohne vorhergehende ASS-Therapie ein etwa 50% geringeres Risiko für eine künstliche Beatmung, auch bestand im Verlauf ein 50% geringeres Sterberisiko.  

  • Chow JH et al. Anesthesia & Analgesia: October 21, 2020 - Volume Publish Ahead of Print - Issue -doi: 10.1213/ANE.0000000000005292

Kommentar: Ob ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Verlauf der Corona-Infektion und einer ASS-Therapie besteht, muss in weiteren, möglichst randomisierten, Studien geklärt werden.  Zumindest sollten Patienten mit bereits bestehender Indikation die ASS-Therapie möglichst fortführen. 


 

Im Notfall ASS zum Inhalieren?

 

Acetylsalicylsäure (ASS), auch bekannt unter dem Handelsnamen Aspirin®, kann wirksam die Verklumpung (Aggregation) von Blutplättchen (Thrombocyten) und damit die Bildung von Gerinnseln in Arterien verhindern. Daher wird ASS u.a. routinemäßig bei Patienten mit Herzinfarkt oder Schlaganfall eingesetzt. In der Akutsituation ist dabei ein möglichst rascher Wirkungseintritt erwünscht. Forscher des Mount Sinai Hospitals in Baltimore (USA) konnten erstmals eine, mit Hilfe von Nanotechnologie hergestellte, inhalierbare Form von ASS untersuchen. Dabei kann ASS über einen Trocken-Pulver-Inhalator (ähnlich wie bei zahlreichen Lungen-Medikamenten) inhaliert werden. In der aktuellen Studie wurde diese neue inhalierbare Zubereitung von ASS im Vergleich zu ASS-Tabletten bei 17 gesunden Studien-Teilnehmern getestet. Beim Inhalieren von ASS konnte die maximale Wirkung auf die Blutplättchen bereits nach 2 Minuten erreicht werden, im Vergleich zu etwa 30 Minuten nach Einnahme von Tabletten.

  • Gurbel P.A. et al.: Circulation. 2020;142:1305–1307    

Kommentar: Gerade im Notfall könnte sich der rasche Wirkungs-Eintritt der neuen inhalierbaren Form von ASS bewähren. Weitere Studien sind in Vorbereitung.  


 

Weniger Arthrose mit Ticagrelor (Brilique®)

 

Sowohl Clopidogrel als auch Ticagrelor (Brilique®) hemmen ähnlich wie ASS (Aspirin®) das "Zusammenkleben" von Blutplättchen (Thrombocyten). Sie  werden daher oft entweder als Ersatz oder auch zusammen mit ASS  bei zahlreichen Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt, Stent-Implantation oder anderen Gefäß-Erkrankungen eingesetzt. Aus einem großen Datenpool wurden aktuell etwa 14.000 Patienten mit Clopidogrel-Behandlung und etwa 7000 Patienten mit Ticagrelor-Behandlung ausgewählt. Dabei wurde darauf geachtet, dass die  Patienten in den beiden Gruppen  in wesentlichen Merkmalen wie Alter, Geschlecht u.a. vergleichbar waren. Im Mittel erfolgte die Behandlung über 9,5 Monate. Die Forscher ermittelten über einen Zeitraum von 5 Jahren ein 29% geringeres Risiko für eine Arthrose bei Behandlung mit Ticagrelor im Vergleich zu Clopidogrel. Anders als bei Clopidogrel kommt es unter Ticagrelor zu einem Anstieg von Adenosin. Die Forscher postulieren, dass anti-entzündliche Effekte von Adenosin für das vorteilhafte Ergebnis bei Ticagrelor-Behandlung verantwortlich sein könnten.   

  • Baker MC et al. Arthritis Rheumatol. 2020 Jun 21. doi: 10.1002/art.41412. Online ahead of print.
  • Laday J, Healio Rheumatology, 20.7.20

Kommentar: Bei der Auswahl eines sog. Plättchen-Hemmers sind vielfältige Gesichtspunkte im Hinblick auf Wirkungen und mögliche Nebenwirkungen zu berücksichtigen. Während die Adenosin-Erhöhung durch Ticagrelor gelegentlich zu meist harmlosen und vorübergehenden Atem-Beschwerden führen kann, wirkt sich die Substanzt offenbar günstig auf das Skelett-System aus. 


 

Im "Duo" gegen Rezidive nach Schlaganfall 

 

Dem sog. nicht-embolischen Schlaganfall liegt meist eine Verkalkung der Arterienwände mit aufgelagerten Gerinnseln als Ursache zugrunde. Therapeutisch ist die Hemmung der Blutplättchen mit Acetylsalicylsäure (ASS oder Aspirin®) etabliert. Dadurch soll das insbesondere in den ersten Wochen hohe Risiko eines erneuten Schlaganfalls (Rezidiv) vermindert werden. Aktuell wurde jetzt eine intensivere Hemmung der Blutplättchen im Vergleich zum Standard (nur ASS) untersucht. Mehr als 11.000 Patienten wurden randomisiert (zufallsmäßige Zuteilung der Therapie, wie beim Werfen einer Münze) nur mit ASS oder der Kombination von ASS und Ticagrelor (Brilique®), einem weiteren Hemmer der Blutplättchen, behandelt. In der Kombinations-Gruppe betrug im Verlauf von 30 Tagen das Risiko für Tod oder Schlaganfall 5,5% im Vergleich zu 6,6% bei Mono-Therapie,  entsprechend einer relativen Risiko-Reduktion von 17%. Die Rate an schwerwiegenden Blutungen, darunter auch Hirnblutungen, war mit 0,5% gegenüber 0,1% insgesamt gering. 

  • Johnston SC et al. N Engl J Med 2020; 383:207-217. DOI: 10.1056/NEJMoa1916870 
  • Yasgur BS, Medscape, 20.7.20 

Kommentar: Insbesondere für Patienten ohne hohes Risiko für Blutungs-Komplikationen steht mit der Kombinations-Therapie eine Option zur effektiveren Vermeidung eines Schlaganfall-Rezidivs zur Verfügung. In einer früheren Untersuchung hatte sich auch die Kombination von ASS und Clopidogrel im Vergleich zur Mono-Therapie mit ASS in dieser Situation bewährt. 


 

Stabilere Knochen mit DOAKs

 

Bei Patienten mit Vorhofflimmern ist in den meisten Fällen eine Dauer-Behandlung mit Gerinnungs-Hemmern erforderlich. Während früher nur die sog. Vitamin-K-Antagonisten (VKA, meist Marcumar® oder Warfarin) zur Verfügung standen, haben sich in den vergangenen Jahren die sog. direkten oralen Antikoagulantien (DOAKs) wegen der einfacheren Handhabung, aber auch eines geringeren Risikos für Hirnblutungen, zunehmend durchgesetzt. Eine langfristige Nebenwirkung von VKAs betrifft die mögliche Begünstigung einer Osteoporose. In Singapur wurden nun bei über 23.500 Patienten rückblickend die verschiedenen Therapien im Hinblick auf das Risiko für Hüft- und Wirbelsäulen-Frakturen untersucht. Zum Einsatz waren entweder die DOAKs  Pradaxa®,  Xarelto® und Eliquis® oder Warfarin (VKA) gekommen. Die mit DOAKs behandelten Patienten hatten über einen 2-Jahres-Zeitraum ein 35-48% geringeres Risiko für Knochenbrüche im Vergleich zur VKA-Behandlung. Bei direkten Vergleichen zwischen den einzelnen DOAKs fanden sich  keine wesentlichen Unterschiede.

  • Lau WCY et al. Ann Intern Med. 2020 May 18. doi:10.7326/M19-3671.,
  • Bowser AD, Cardiology News, 20.5.20

Kommentar: Erneut zeigt sich das geringere Risiko für osteoporotische Frakturen bei Behandlung mit direkten oralen Antikoagulantien im Vergleich zu VKAs. Von den aktuell verfügbaren Substanzen war in dieser Studie Lixiana® nicht untersucht worden, da die Substanz im Studien-Zeitraum noch nicht verfügbar war. Bei der Auswahl eines geeigneten Medikamentes zur Gerinnungs-Hemmung sollte auch das individuelle Osteoporose-Risiko der Patienten berücksichtigt werden. Insbesondere bei Personen mit ohnehin hohem Risiko für eine Osteoporose (u.a. Ältere, Frauen nach den Wechseljahren, Inaktive, Cortison-Therapie) kann durch Auswahl von DOAKs ein zusätzliches Risiko vermieden werden (siehe auch Beitrag weiter unten "Risiko für Osteoporose bei Therapie mit Gerinnungs-Hemmern").


 

Antikoagulantien für beatmete Corona-Patienten 

 

Vielfach wurde über thrombotische Komplikationen wie Lungenembolie, Herzinfarkt und Schlaganfall bei Corona-Infizierten berichtet. Es lag daher nahe, den Einfluss von Gerinnungs-Hemmern (Antikoagulantien) auf den Krankheits-Verlauf der Patienten zu untersuchen. Aktuell werden Ergebnisse einer Beobachtungs-Studie aus dem Mount Sinai Hospital in New York zu diesem Thema veröffentlicht. Insgesamt war das Sterberisiko bei 2773 Patienten mit oder ohne Gerinnungshemmer-Therapie vergleichbar. Bei 395 Patienten war wegen eines schweren Verlaufs eine Intensiv-Behandlung und künstliche Beatmung erforderlich. Hatten diese Patienten eine Therapie mit Gerinnungs-Hemmern erhalten, so lag die Sterblichkeit während der Hospitalphase bei 29.1%. Dagegen verstarben 62,7% der Patienten ohne gerinnungs-hemmende Therapie. 

  • Paranjpe I et al. JACC (2020), doi: https://doi.org/10.1016/j.jacc.2020.05.001.
  • Wendling P, Medscape  Medical News, 7.5.2020 

Kommentar: Während die Behandlung mit Antikoagulantien bei der Mehrzahl der Infizierten keinen Einfluss auf den Verlauf hatte, konnte die Prognose der schwerst-kranken beatmeten Patienten deutlich verbessert werden. Prospektive randomisierte Studien zur Absicherung dieses Therapie-Konzeptes sind auf dem Weg. 


 

Häufig thrombotische Komplikationen bei COVID-19

 

In einer aktuellen Studie aus den Niederlanden wird über 184 SARS-CoV-2-Patienten berichtet,  die intensiv-medizinisch betreut wurden. In 31% der Fälle wurden thrombotische Komplikationen beobachtet,  trotz routinemäßiger Behandlung mit gerinnungs-hemmenden Substanzen zur sog. Thrombose-Prophylaxe. Überwiegend handelte es sich um Beinvenen-Thrombosen und Lungen-Embolien (27%), aber auch arterielle Komplikationen wie Herzinfarkt und Schlaganfall (4 %).

 

Quelle: F.A. Klok, et al., Thrombosis Research, https://doi.org/10.1016/j.thromres.2020.04.013.

McNamara D, Medscape Medical News 24.4.2020

 

Kommentar: Ursächlich dürfte, wie früher berichtet, die offensichtlich generalisierte Entzündungs-Reaktion der Gefäß-Innenhaut (Endothel) dafür verantwortlich sein, dass sich ausgedehnte Thrombosen im Gefäßsystem entwickeln. Die üblichen Maßnahmen und Dosierungen von Gerinnungs-Hemmern zur Vorbeugung scheinen in dieser Situation nicht ausreichend zu schützen. Die Autoren raten zu einer sorgfältigen Prophylaxe mit Gerinnungs-Hemmern im oberen Dosierungs-Bereich. 


 

Kombination von ASS und Xarelto® bei pAVK

 

Für Patienten mit Verkalkungen der Arterien (Arteriosklerose) wird zur Verbesserung der Fließ-Eigenschaften des Blutes und um Gefäß-Verschlüssen vorzubeugen meist eine Behandlung mit sog. Blutplättchen-Hemmern durchgeführt. In der Regel kommt dabei  Acetylsalicylsäure (ASS ,  Aspirin®) zum Einsatz. Zunehmend wird in Studien auch die Kombination mit Hemmern der Blutgerinnung wie z.B. Rivaroxaban (Xarelto®) erprobt. Dieses Konzept war in einer großen Studie bei Patienten mit koronarer Herz-Krankheit (COMPASS) bereits erfolgversprechend.

 

In der aktuellen VOYAGER-PAD-Studie wurden jetzt 6564 Patienten mit Beschwerden wegen einer pAVK (periphere arterielle Verschluss-Krankheit, Arteriosklerose der peripheren Arterien, auch bekannt als "Schaufenster-Krankheit") ausgewählt. Alle Patienten hatten kurz zuvor einen operativen Eingriff oder einen Katheter-Eingriff, um die Durchblutung der Extremitäten-Arterien zu verbessern.  Bei allen Patienten bestand eine Standard-Therapie mit ASS.  Die Patienten erhielten dann randomisiert (zufallsmäßig,  wie beim Werfen einer Münze) entweder Xarelto® in einer geringen Dosierung von 2 x 2,5 mg täglich oder ein Placebo-Präparat (Schein-Medikament).

 

Während einer 28 Monate dauernden Beobachtungs-Phase wurde das Auftreten der folgenden Ereignisse erfasst: Akute Durchblutungsstörung, Amputation, kardiovaskulärer Tod, Herzinfarkt, ischämischer Schlaganfall. Insgesamt trat mindestens eines der genannten Ereignisse bei 17,3% der Patienten unter Xarelto-Behandlung und bei 19.9% der Patienten in der Placebo-Gruppe auf,  entsprechend einer 15%igen relativen Risiko-Reduktion. Erwartungsgemäß war die Kombination von ASS und Xarelto® mit einem mäßig höheren Risiko für schwerwiegende Blutungen (2,7 gegenüber 1,9%) verbunden. Hirnblutungen oder tödliche Blutungen waren in beiden Gruppen aber nicht unterschiedlich. 

 

Quelle. „Late-Breaking Clinical Trials 1“ ACC-Kongress 2020 (ACC2020/WCC Virtual Experience)

Bonaca P.M. et al. N Engl J Med 2020, online 28. März

Overbeck P; Kardiologie.org

 

Kommentar:  Aus der  geringeren Rate an kardiovaskulären Komplikationen bei nur mäßig erhöhtem Blutungs-Risiko ergibt sich insgesamt ein günstiges Nutzen/Risiko-Verhältnis für die Kombinations-Therapie in der aktuellen Untersuchung. Zusammen mit den schon bestehenden Leitlinien-Empfehlungen in Bezug auf die frühere COMPASS-Studie scheinen bei Vorliegen einer pAVK besonders zwei Patienten-Gruppen von der Kombinations-Therapie zu profitieren:

1)  Patienten mit symptomatischer pAVK und kurz zurückliegendem Gefäß-Eingriff 

2)  Patienten mit pAVK bei gleichzeitigem Vorliegen einer fortgeschrittenen KHK (Koronare Herzkrankheit).

Wie bei allen antithrombotischen Medikamenten  muss  das Nutzen/Risiko-Verhältnis aber immer im individuellen Fall evaluiert werden. Bei Patienten mit ohnehin hohem Blutungs-Risiko (z.B. schlecht eingestellter hoher Blutdruck) ist eine zusätzliche Erhöhung des Blutungs-Risikos zu vermeiden.  

Ergänzend wird auf die schon bestehenden Leitlinien-Empfehlungen bezüglich der COMPASS-Studie verwiesen (siehe folgender Beitrag weiter unten:

ASS allein oder in Kombination mit niedrig-dosiertem Xarelto® bei KHK: Aktuelle Leitlinien-Empfehlung)

 


 

Pausieren von Gerinnungshemmern bei operativen Eingriffen

 

Vorhofflimmern erfordert meist eine Therapie mit Gerinnungs-Hemmern, um das  sonst drohende Risiko für Schlaganfälle zu verringern. Bei geplanten operativen Eingriffen ist in der Regel eine kurze Therapie-Pause erforderlich, um das Blutungs-Risiko während der Operation möglichst nicht zu erhöhen. Andererseits ist während der Therapiepause der Schutz vor thromb-embolischen Ereignissen (insbesondere Schlaganfall) nicht mehr gegeben. Über die Höhe der Risiken (einerseits Blutungen, andererseits Thromb-Embolien) bei einer Therapie-Pause wegen eines  geplanten operativen Eingriffs, liegen nur wenige Informationen vor. In der aktuellen Untersuchung wurde das Risiko sowohl für Blutungen als auch für thromb-embolische Ereignisse bei über 3000 Patienten mit Vorhofflimmern ermittelt. Die Patienten waren mit Eliquis®,  Xarelto® oder Pradaxa® behandelt. Je nach mutmaßlichem Blutungsrisiko erfolgte eine Therapie-Pause von 1-2 Tagen vor der geplanten Operation.  Entsprechend wurde die Therapie erst 1-3 Tage nach dem Eingriff wieder aufgenommen. Insgesamt wurden die Patienten über 30 Tage nach OP beobachtet. Die Rate schwerer Blutungen lag im Bereich  zwischen 0,9 und 1,85%,  die Rate arterieller Thromb-Embolien  zwischen 0,16 und 0,6%.

Quelle: Douketis JD et al . JAMA Intern Med 2019; 179 (11): 1469-1478

 

Kommentar:  Während die Blutungs-Raten sich in einer erwartbaren Eingriffs-bedingten Größen-Ordnung bewegten,  war die Therapie-Pause  doch mit einem relevanten Risiko für thromb-embolische Ereignisse verbunden.  Die voraussichtlich optimale Dauer der Therapiepause von Gerinnungs-Hemmern hängt von zahlreichen Variablen wie z.B. der Art des operativen Eingriffes, Vorerkrankungen oder der Nierenfunktion  ab. Die Entscheidung sollte jeweils in enger  Absprache mit dem betreuenden Hausarzt und dem Chirurgen oder ggf. Zahnarzt individuell getroffen werden


 

Risiko für Osteoporose bei Therapie mit Gerinnungs-Hemmern

 

Die Begünstigung einer Osteoporose gilt als eine der möglichen Nebenwirkungen bei langfristiger Einnahme von sog. Vitamin K-Antagonisten (z.B.Marcumar®). Seit einigen Jahren stehen als  Alternative direkte orale Antigkoagulantien (DOAK) zur Verfügung.  In Taiwan wurden über 17.000 Patienten mit Vorhofflimmern,  die mit oralen Gerinnungshemmern behandelt wurden, im Hinblick auf das Risiko für Osteoporose bzw. Knochenfrakturen untersucht. Mit speziellen statistischen Verfahren wurde in dieser retrospektiven Studie die Vergleichbarkeit der Therapiegruppen angestrebt. Bei einer Therapiedauer von mindestens 1 Jahr war das Risiko für die Entwicklung einer Osteoporose/Knochenfraktur bei DOAK-Therapie  insgesamt 28% niedriger als bei Behandlung  mit Vitamin-K-Antagonisten.  Insbesondere  bei Therapie mit Rivaroxaban (Xarelto®) oder Apixaban (Eliquis®) konnte ein 32% bzw. 62 % geringeres Risiko festgestellt werden.  Für Dabigatran (Pradaxa®) fand sich  in dieser Untersuchung kein Unterschied im Vergleich zur herkömmlichen Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten. Ein weiteres DOAK, nämlich  Edoxaban (Lixiana®), war zum Zeitpunkt der Studien-Durchführung noch nicht verfügbar, sodass hierzu keine Angaben vorliegen. 

 

Quelle: Huang HK et al.  JAHA 2020;9(2); doi: 10.1161/JAHA.119.013845

 

Kommentar: Bei der individuellen Auswahl eines Gerinnungs-Hemmers sind vielfältige Gesichtspunkte zu berücksichtigen. In Zukunft kann auch das unterschiedliche Osteoporose-Risiko in die Entscheidungs-Findung eingehen. Zumindest bei Personen mit ohnehin hohem Risiko für eine Osteoporose (u.a. Ältere, Frauen nach den Wechseljahren, Inaktive, Cortison-Therapie) kann durch Auswahl von Xarelto® oder Eliquis®  ein zusätzliches Risiko vermieden werden. Anders als in dieser Untersuchung  war in einer früheren Studie auch für Dabigatran (Pradaxa®) eine geringere Fraktur-Gefährdung gezeigt worden.


 

Blutplättchen-Hemmung  hält Bypass-Gefäße offen

 

Im Rahmen einer Bypass-Operation werden Verengungen in den Herzkranzgefäßen durch andere Arterien oder Venen überbrückt (funktioniert im Prinzip wie Umgehungs-Straße).  Hierfür stehen Arterien  der eigenen Brustwand (Arteria thoracica interna, oder synonym  Arteria mammaria) zur Verfügung.  Falls weitere Bypass- Gefäße erforderlich sind,  werden meist Bein-Venen entnommen und als Bypass verwendet.

 

Haltbarkeit der Bypass-Gefäße

Leider können sich auch diese Bypass-Gefäße im Lauf der Zeit verschließen. Während dies bei den arteriellen Gefäßen der Brustwand nur selten der Fall ist, kommt es  bereits im Verlauf des ersten Jahres nach der Operation bei jedem 3. Venen-Bypass zu einem Verschluss.  Nach 10 Jahren sind etwa 2 Drittel verschlossen. Die Folge sind häufig notwendig  werdende Wiederholungs-Eingriffe (2. Bypass-Operation oder Stents)sowie ernste Komplikationen wie Todesfälle und Herzinfarkte.

 

Intensivere Hemmung der Blutplättchen

Um  Bypass-Verschlüssen möglichst vorzubeugen,  wurde bisher schon standardmäßig  ASS (Acetylsalicylsäure,  z.B. Aspirin®) verordnet.  Hierdurch werden Blutplättchen,  die eine wichtige Rolle im Rahmen der Blutgerinnung  spielen,  gehemmt.  Wegen der trotz   ASS-Behandlung   hohen Verschluss-Raten,  wurden zahlreiche andere Konzepte  zur Hemmung der Blutgerinnung untersucht.  In einer aktuellen zusammenfassenden Analyse (Netzwerk-Metaanalyse) bisheriger Studien mit über 4800 Patienten wurden 8  unterschiedliche Therapie-Konzepte verglichen.  Dabei zeigte sich ein Vorteil für die sog. duale Anti-Plättchen-Therapie mit einer um etwa  40-50%  geringeren Verschluss-Rate  von Venenbrücken.  Bei dieser Therapie  erhalten Patienten neben ASS noch einen weiteren sog. Plättchen-Hemmer wie Clopidogrel oder Brilique®.  Wie zu erwarten, geht die  bessere Wirksamkeit der Zweifach-Kombination aber  mit einem erhöhten Risiko für Blutungs- Komplikationen einher.

Quelle: Solo K. et al.:  Antithrombotic treatment after coronary artery bypass graft surgery: systematic review and network meta-analysis. BMJ 2019;367:l5476. http://dx.doi.org/10.1136/bmj.l5476

 

Kommentar:  Durch die intensivere Therapie mit einer Kombination von ASS  und einem weiteren Plättchen-Hemmer kann offensichtlich etwa die Hälfte der Bypass-Verschlüsse verhindert werden.  Zur definitiven Bestätigung  des Therapie-Konzeptes wäre aber  noch eine  randomisierte Studie wünschenswert. Zunächst sollte die medikamentöse Therapie  nach OP in  individueller Absprache mit dem Herzchirurgen und dem betreuenden Arzt (Hausarzt oder Kardiologe) festgelegt werden.  Dabei muss der zu erwartende Nutzen dem höheren Blutungs-Risiko gegenübergestellt werden.  Für Patienten mit einem a priori hohem Blutungs-Risiko  eignet sich die intensivere Therapie nicht. Eine offene Frage stellt  auch die Dauer der intensivierten Therapie mit 2 Plättchen-Hemmern  dar. Da das Risiko für einen Bypass-Verschluss im ersten Jahr nach OP am höchsten ist,  könnte dies ein geeigneter Zeitraum sein.  Auch hat sich diese 2-fach-Therapie  bereits routinemäßig für 12 Monate bei den Patienten bewährt, bei denen die Bypass-Operation in der Frühphase nach einem Herzinfarkt durchgeführt wurde.


 

Nebenwirkungen  lassen  Tumore  erkennen

 

Antithrombotische Medikamente  werden bei zahlreichen Erkrankungen eingesetzt,  um unerwünschte Gerinnsel-Bildungen in Herz und Kreislauf  zu verhindern.  Patienten mit z.B. koronarer Herzkrankheit (KHK) , Vorhofflimmern, Thrombose oder früherem  Herzklappen-Ersatz  nehmen üblicherweise solche Medikamente ein.  Leider kommt es unter diesen Medikamenten nicht selten zum  Auftreten von Blutungen, im Sinne einer unerwünschten Nebenwirkung  der Therapie. Gerade dies kann aber auch von Vorteil sein, wie  jetzt im Rahmen einer großen Studie (COMPASS-Studie) mit mehr als 27000 Patienten festgestellt wurde.  In dieser Studie waren Patienten mit Acetylsalicylsäure (ASS,  Aspirin®) und  zum Teil auch  mit Xarelto® behandelt worden (siehe auch nachfolgender Beitrag).  Etwa 10 % der Studien-Teilnehmer  erlitten im Verlauf von fast 2 Jahren eine meist leichtere,  in einigen Fällen auch schwerere Blutungs-Komplikation.  Dabei standen Blutungen im Magen-Darm-Bereich  oder den Harnwegen im Vordergrund.  Bei der weiteren  Ursachen-Abklärung der  Blutungsprobleme wurde bei wiederum etwa 10% der Patienten  eine bisher unerkannte Tumor-Erkrankung  diagnostiziert. 

 

Eickelboom J et al.   Circulation 2019, online 12. September

 

Kommentar:  Das Auftreten von Blutungen gehört zu den möglichen und typischen Nebenwirkungen der antithrombotischen Medikamente. Die obigen Ergebnisse zeigen aber, dass diese Nebenwirkungen häufig dazu beitragen können,  bisher nicht erkannte  Tumor-Erkrankungen rechtzeitig festzustellen. Sie sind als Warnsignal zu verstehen und sollten Anlass sein,  nach einem Tumor zu fahnden. Häufig treten die  Blutungen im Magen-Darm-Bereich oder in den Harnwegen auf.  Es muss dabei nicht immer eine Rotfärbung vorliegen.  So kann  sog.  "Teerstuhl"  (schwarzer, klebriger Stuhl ) ein möglicher Hinweis auf eine  Magenblutung sein.  Chronische Sicker-Blutungen sind nicht immer mit bloßem Auge erkennbar und können sich nur durch ungewohnte Leistungsschwäche oder Kurzatmigkeit bemerkbar machen.  Dennoch sollte auch bedacht werden, dass insgesamt  weniger als 10% der Patienten mit Blutungen  eine  Tumor-Erkrankung  hatten.


 

ASS allein oder in Kombination mit niedrig-dosiertem Xarelto®  bei KHK:

Aktuelle Leitlinien-Empfehlung

 

Bei Patienten mit stabiler Atherosklerose (chronische Gefäß-Verkalkung),  z.B. im Bereich der Herzkranz-Arterien (Koronare Herzkrankheit bzw. KHK) oder im Bereich der  Bein-Arterien (periphere arterielle Verschluss-Krankheit bzw. pAVK) wird meist eine Behandlung mit ASS (Acetylsalicylsäure) empfohlen. Dadurch sollen gefährliche Gerinnsel-Bildungen in den Arterien mit der Folge eines Herzinfarktes oder Schlaganfalls verhindert werden.

 

Kombination als neues Therapie-Konzept        

In der COMPASS-Studie war bei Patienten mit stabiler Atherosklerose untersucht worden, ob die zusätzliche Behandlung mit einem weiteren Medikament, das die Blutgerinnung hemmt,  von Vorteil ist.  Es zeigte sich, dass bei zusätzlicher Behandlung mit Xarelto® in niedriger Dosierung (2 mal 2,5 mg täglich) im Vergleich zur alleinigen Therapie mit ASS  weniger Todesfälle, Schlaganfälle, Herzinfarkte und Amputationen auftraten. Allerdings wurden bei den intensiver behandelten Patienten ( 2 Medikamente) auch deutlich häufiger schwere Blutungs-Komplikationen beobachtet.

 

Neue Leitlinien-Empfehlung für Kombination 

Es stellte sich für die Praxis nun die Frage, bei welchen Patienten  diese Kombination zum Einsatz kommen soll.  Nach einer aktuellen Leitlinie soll dieses neue Therapie-Konzept zunächst bei  Patienten  mit besonders  ausgeprägten Gefäß-Veränderungen erwogen werden. Die aktuellen Leitlinien charakterisieren die Bedingungen wie folgt: Es sollte eine fortgeschrittene koronare Herzkrankheit vorliegen (diffuse Mehrgefäß-Erkrankung) sowie zusätzlich entweder eine pAVK, ein Diabetes mellitus, eine  Nieren-Funktionsschwäche,  wiederholte frühere Herzinfarkte oder ggf. auch eine Herzschwäche. Gleichzeitig darf bei diesen  Patienten kein erhöhtes Blutungs-Risiko bestehen. 

Quelle: ESC Guidelines for the diagnosis and management of chronic coronary syndromes. European Heart Journal (2019) 00, 171ESC GUIDELINESdoi:10.1093/eurheartj/ehz425 

 

Kommentar: Die Behandlung mit Medikamenten, die die Blutgerinnung beeinflussen, erfordert immer das sorgfältige individuelle Abwägen von möglichem Nutzen (Vermeidung von Herzinfarkt oder Schlaganfall) gegenüber  den möglichen Risiken (Blutungen). Die von den Leitlinien gegebene Empfehlung erlaubt die Fokussierung auf eine Patienten-Gruppe, bei der ein besonders günstiges Nutzen / Risiko-Verhältnis für die Kombinations-Therapie zu erwarten ist.


 

Vorhofflimmern und KHK:  Welche Gerinnungs-Hemmung? 

 

Häufig besteht bei Patienten mit Vorhofflimmern auch eine Koronare Herz-Krankheit. Während bei Vorhofflimmern die Hemmung der Blutgerinnung mit sog. Antikoagulantien unverzichtbar ist, wird bei Koronarer Herzkrankheit die Gabe eines Plättchen-Hemmers (z.B. ASS) empfohlen. Seit längerem bestand Unklarheit, ob eine Therapie mit Antikoagu-lantien bei diesen Patienten ausreicht, oder ob die zusätzliche Gabe eines Plättchen-Hemmers von Vorteil sein könnte. In einer aktuellen Studie (AFIRE) wurde in Japan nun die alleinige Therapie mit Xarelto® im Vergleich zur Kombination Xarelto® + Plättchen-Hemmer untersucht. Die alleinige Behandlung mit Xarelto® war der Kombination über- legen. Es traten weniger Todesfälle und weniger Blutungen auf.

Yasuda S et al. NEJM 2019;381:1103-1113  

 

Kommentar:   In einer ähnlichen japanischen Studie (Matsumura-Nakano et al, Circulation 2019), bei der aber überwiegend konventionelle Vitamin-K-Antagonisten (in Deutschland wird meistens Marcumar ® verwendet) eingesetzt wurden, zeigte im Gegensatz zur vorliegenden Studie eine geringere Rate an Ischämie-Ereignissen und erhöhte Blutungs-Rate bei Kombinations-Therapie. Die divergierenden Studien-Ergebnisse, können darauf hindeuten, dass eine pauschale Ja /Nein-Strategie der komplexen Situation nicht angemessen ist. Es muss in Zukunft besser herausgearbeitet werden, für welche individuellen Patienten eine Kombinations-Therapie von Nutzen sein kann, bzw. eher eine Gefährdung darstellt. Der ganz überwiegende Ergebnis-Unterschied hatte sich in der aktuellen Studie nur bei den älteren Patienten ( > 75 Jahre) gezeigt. Für Patienten mit stabiler KHK und Vorhofflimmern, die mit Xarelto® behandelt werden, sollte insbesondere in der Altersgruppe der "Über-75-Jährigen" die Mono-Therapie bevorzugt werden.          


 

Neues Gegenmittel für Blutgerinnungs-Hemmer

 

Ein Nachteil der sog. Neuen oder auch direkten Antikoagulantien war das Fehlen eines rasch wirksamen Gegenmittels. Nur für Pradaxa war ein solches bereits mit Praxbind® verfügbar. Nun wird auch für die häufig eingesetzten Mittel Xarelto® und Eliquis®   mit Ondexxya® ein rasch wirksames Gegenmittel zur Verfügung stehen.  Bei bedrohlichen, anders  nicht beherrschbaren Blutungen stellt dies eine wesentliche Verbesserung der therapeutischen Möglichkeiten dar. Für Patienten, die mit dem Gerinnungshemmer Lixiana® behandelt werden, kann dieses neue Medikament aber aus formalen Gründen  noch nicht eingesetzt werden. Hier kann wie bisher die Gabe von Blutgerinnungsfaktoren (PPSB) erfolgen, wie das auch bei Patienten unter Marcumar®-Therapie im Falle von 

schweren Blutungen üblich ist.                                                                                      EMA/40684/CHMP2019

 

Kommentar: Damit steht in Kürze für alle direkten Antikoagulantien, außer Lixiana®,  ein rasch wirksames Gegenmittel zur Verfügung. 


 

Erstmals rasch wirksames Gegenmittel für sog. Plättchen-Hemmer 

 

Blutplättchen, auch Thrombocyten genannt, spielen eine wichtige Rolle bei der Bildung von Blutgerinnseln und damit der Blutstillung. Patienten mit Gefäß-Verkalkungen (Athero- sklerose) werden häufig mit Medikamenten behandelt, die die Wirkung der Blutplättchen hemmen, um die Entstehung von Blutgerinnseln zu verhindern. Durch diese Hemmstoffe der Blutplättchen (Plättchen-Hemmer)  wie Acetylsalicylsäure (z.B. ASS, Aspirin® ), Clopi- dogrel, Plavix®, Iscover®,  Brilique® und Efient®,  kann es aber als Nebenwirkung zu Blutungs-Komplikationen kommen. Bisher war kein rasch wirksames Gegenmittel für diese Substanzen verfügbar. Bei Blutungen musste in der Regel der allmähliche Wirkungsverlust über 3-7 Tage abgewartet werden. Allenfalls konnte im Notfall die Wirkung der Medika- mente durch eine Transfusion von frischen Blutplättchen (Thrombozyten- Konzentrat)  aufgehoben  werden. Für Brilique®  konnte jetzt erstmals ein rasch wirksames  ( innerhalb 5 Minuten) Gegenmittel in Form eines Antikörpers erfolgreich getestet werden. 

                                                                                                                                                                      Quelle: Bhatt DL et al. N Engl J Med; 380:1825-1833

 

Kommentar: Damit könnte in naher Zukunft erstmals ein rasch wirksames Gegenmittel für Patienten, die mit dem Plättchenhemmer Brilique®  behandelt werden, zur Verfügung stehen. Bedrohliche Blutungen, z.B. nach Unfällen, könnten so rasch gestoppt werden. Auch könnte die Wirkung von Brilique®  vor dringend erforderlichen Operationen rasch aufgehoben werden, um das Blutungsrisiko während der Operation zu verringern.


 

ASS in der Primär-Prävention selten sinnvoll

 

Während der Nutzen von Acetylsalicylsäure (ASS, Aspirin® ) in der Sekundär-Prävention (nach Herzinfarkt, nach Schlaganfall etc.) gut belegt ist,  gibt es weiter anhaltende Unsicherheit über den Nutzen von ASS in der Primär-Prävention, also bei Patienten, bei denen noch kein größerer Gefäßschaden aufgetreten ist. Eine Forschergruppe in den USA hat die Ergebnisse aller diesbezüglich relevanten randomisierten Studien in einer sog.  Meta-Analyse mit mehr als 165000 Patienten zusammengefasst. Bezüglich der Gesamt-Sterblichkeit gab es keinen wesentlichen Unterschied zwischen Studien-Teilnehmern mit  und ohne ASS-Behandlung. Es zeigte sich aber ein  geringeres Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle bei ASS-Behandlung, dagegen bestand  ein höheres Risiko für Blutungs-Komplikationen. Insgesamt waren die Effekte aber gering.  Es müssen 263 Patienten behandelt werden, um ein  relevantes kardiovaskuläres  Ereignis zu verhindern. Dem-gegenüber ist eine schwere Blutungs-Komplikation bei  einem  von 222 behandelten Patienten zu erwarten.

Quelle: Abdelaziz H et al. JACC 2019;73:2915

 

Kommentar:  Aufgrund der ungünstigen Nutzen/Risiko-Relation kann eine generelle Primär-Prävention mit ASS weiter nicht empfohlen werden. Allenfalls bei Patienten mit einem sehr hohen Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse  und/oder schon deutlich nachweisbarer Atherosklerose  kann der Einsatz von ASS erwogen werden, wenn gleichzeitig kein erhöhtes Blutungsrisiko gegeben ist. Diese individuelle Abwägung kann nur in Absprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen